Die verschollene Symphonie
Nullpunkt eines Kalenderdurchlaufs verzeichnet war. Über eine solche Möglichkeit hatte es Spekulationen gegeben, aber man nahm an, dass jedes bedeutende Ereignis so beeinflusst werden konnte, dass es von einer starken Zeitschlaufe überschrieben wurde, die bereits in der Kairos-Zeit existierte, und nicht umgekehrt. Doch wenn diese Annahmen nun falsch waren? Wenn Ereignisse ihre eigene Bedeutung schufen und die Schlaufen, von denen sie erzeugt zu werden schienen, selbst erzeugten? Und wenn dem so war, warum sollte es dann überhaupt eine Grenze geben?
Konnte man einen Nullpunkt erschaffen?
Besonders dieser Gedanke blieb in seinem Geist hängen und hallte darin wider, bevor er ihn beiseite schob und sich wieder seiner derzeitigen Situation zuwandte. Darüber nachzudenken war sicher lohnenswert, allerdings nur, wenn er auch zurückkehren konnte. Bei dreihundert Millionen Jahren war er möglicherweise in eine vollkommen andere Lange Rechnung der Kairos-Zeit hineingesprungen, wie unwahrscheinlich dies auch erscheinen mochte. Und das wäre das Ende aller Zeitsprünge – zumindest für ihn.
Er holte die Anabasis-Maschine hervor und überschlug seine Möglichkeiten: die Erste Offenbarung kam aus offensichtlichen Gründen nicht in Frage. Wenn sich sein aufkeimender Verdacht bestätigen sollte, konnte er nicht noch einmal dorthin springen, ohne sich zuvor mit den anderen beraten zu haben. Die Wanaheim-Annäherung schied aus ähnlichen Gründen aus. Die Zweite Offenbarung war vielleicht der leichteste Sprung, da dieser Zeitpunkt auch als Ausgangsdatum seiner Anabasis-Maschine diente. Doch auch dieser Punkt war für einige der anderen unerreichbar, wenn nicht gar für alle, und jeder Zug, den er als Nächstes machte, erforderte die Zustimmung des Quorums.
Damit blieb ihm nur noch eine Möglichkeit: der eine wahre Nullpunkt, für den die Maschine bereits programmiert war.
Er stellte rasch die Rädchen ein, überflog die Ergebnisse auf der Kristallanzeige, nahm einige zusätzliche Korrekturen vor und verschwand in den Wirbeln der Zeit.
TEIL ZWEI
DIE ARCHITEKTEN
DES SCHICKSALS
KAPITEL FÜNF
Der Maestro
Mikaal Gunnar-Galen benötigte einige Zeit, um sich auf seine neue Situation einzustellen. Er erinnerte sich nur vage an die Geschehnisse der vorangegangenen Woche und an die Tage vor dem Ereignis, das zu seiner Einlieferung in die Klinik geführt hatte. Marisa füllte diese Lücke so behutsam wie möglich.
Dann saß sie mit dem Direktor einige Minuten lang schweigend da, während der große Mann, der Virtuose Wiens, weinte wie ein Kind.
Schließlich schoben sie das Rätsel von Galens wiederhergestellter Identität beiseite, um sich der dringenderen Frage zu widmen, ob sie vor ihren Angreifern tatsächlich sicher waren.
»Glauben Sie, dass wir sie uns vom Leib halten können?«, fragte Marisa zitternd. Wie auf ein Stichwort erhob sich Galen und bot ihr den leichten Pullover an, den er trug. Dankbar nahm sie ihn an. Wie ungewöhnlich, dachte sie, dass jemand, der noch wenige Augenblicke zuvor eine Mischung aus Furcht und Mitgefühl in ihr hervorgerufen hatte, so schnell in die Rolle des ritterlichen Beschützers schlüpfen konnte.
Doktor Syntax zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich nehme an, das hängt davon ab, ob sie tatsächlich von den Geistern atlantischer Magier besessen sind oder doch nur Universitätsprofessoren mit Wahnvorstellungen.«
»Sie haben ein ganzes Jahr lang Gespräche mit ihnen geführt«, gab Marisa zurück. »Was denken Sie?«
Er zuckte noch einmal mit den Schultern. »Die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig.«
»Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«, fragte Galen. »Die drei sind vollkommen verrückt. Ich erinnere mich daran, wie Räder sie hat abholen lassen.«
»Er meint es ziemlich ernst«, sagte Marisa und berichtete Galen von den Ereignissen der letzten Tage.
Als sie geendet hatte, konnte dieser nur ungläubig den Kopf schütteln.
»Erstaunlich«, sagte er. »Mir scheint, die ganze Welt ist verrückt geworden und ich bin der Einzige, der noch bei Verstand geblieben ist.«
»Es gibt verschiedene Definitionen von Normalität«, sagte Marisa düster. »Die drei Professoren sind zweifellos verrückt, aber sie stehen auch noch unter einem anderen Einfluss«, fuhr sie fort und wandte sich an ihren Arbeitgeber. »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie mehr über die ganze Sache wissen, als Sie mir verraten haben.«
»Da haben Sie mir einiges voraus«,
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