Die verschollene Symphonie
beweisen, doch ich persönlich glaube, dass es sich dabei eher um den wissenschaftlichen Deckmantel für jemanden handelte, der gerne Katzen umbrachte.«
»Warum sollte Schrödinger Katzen umbringen wollen?«, fragte Marisa.
»Viele Menschen haben eine Abneigung gegen Katzen«, sagte Juda. »Sie springen auf den Tisch, sie stinken und sie kommen nie, wenn man sie ruft. Außerdem soll Schrödinger ein erfolgreiches Kürschnergeschäft betrieben haben.«
»Das ist widerlich«, sagte Maddox.
»Sie hatten offenbar nie einen Mantel mit einem Perserkragen«, erwiderte Juda. »Herrlich weich. Jedenfalls verdeutlicht das Experiment einen wichtigen Aspekt der Quantenmechanik: die Wellenfunktion eines Objektes bleibt so lange allen möglichen Zuständen übergeordnet, bis das Objekt betrachtet wird. In diesem Augenblick nimmt die Wellenfunktion einen bestimmten Zustand an. Das ursprüngliche Experiment sieht vor, dass eine Katze in einer Kiste eingeschlossen wird. Der Zerfall eines radioaktiven Elements – ein vom Zufall bestimmtes Ereignis – führt dann dazu, dass Giftgas in die Kiste einströmt, oder auch nicht. Solange die Kiste nicht geöffnet wird, kann niemand wissen, ob tatsächlich Giftgas freigesetzt und die Katze getötet wurde.«
»Abgesehen von der Katze natürlich«, warf Doktor Syntax ein.
»Zugegeben«, sagte Juda. »Jedenfalls bleibt die Wellenfunktion der Katze ihrem ›lebendigen‹ und ›toten‹ Zustand übergeordnet. Wird die Kiste geöffnet und die Katze betrachtet, dann fällt die Wellenfunktion in sich zusammen und es gibt bald einen weiteren teuren Pelzkragen.«
»In diesen Experimenten werden nicht wirklich Katzen benutzt, oder?«, fragte Marisa.
»Ja und nein«, erwiderte Juda. »In der Quantenmechanik kann eine theoretische Katze genau so viel Substanz haben wie eine reale. Das Entscheidende ist jedoch, dass zwar das Experiment wissenschaftlich einwandfrei, Schrödingers Einschätzung, dass es nicht-intuitiv sein müsse, aber falsch ist. Die Faktoren, von denen das Experiment bestimmt wird, sind beinahe vollkommen intuitiv.«
»Und was hat Ihnen Ihre Intuition verraten?«, fragte Galen.
»Das Offensichtliche«, sagte Juda. »Es sind in Wirklichkeit zwei Katzen in der Kiste. Wenn man annimmt, dass beide Katzen theoretisch vorhanden sind, dann ist die Behauptung, dass sie auch physisch existieren könnten, nicht allzu abwegig. Es bleibt also nur das Problem, wie man mit beiden real gewordenen Katzen Kontakt aufnehmen kann.«
»Wodurch sind sie real geworden?«, fragte Maddox. »Durch die Kraft des Willens?«
»Ganz recht«, sagte Juda. »Die Katze in diesem Experiment ist lediglich ein Geschöpf des Geistes, und diese können die unterschiedlichsten Gestalten besitzen. Man denke nur an die lebensechten Wesen, die die Welt unserer Träume bevölkern, oder die erfundenen Spielgefährten, die viele Kinder für sich erschaffen und oft über Jahre hinweg behalten. Ganz zu schweigen von der durch Drogen und Alkohol ausgelösten Menagerie von Visionen, über die Forscher der Psyche wie Percy und Mary Shelley geschrieben haben.«
»Ah«, sagte Maddox. »Die Frankenstein-Visionen.«
»Ja. Damals erschienen sie ihnen so real wie Sie oder ich.«
»Aber«, sagte Galen, »diese Erscheinungen waren allesamt subjektiv und für andere nicht wahrnehmbar.«
»Vielleicht«, sagte Juda. »Das können wir nicht mit Sicherheit wissen. Die Ausgangsfeststellung lohnt jedoch eine genauere Untersuchung, denn schließlich gibt es wirklich übersinnliche Phänomene, die in aller Öffentlichkeit vorkommen. Es heißt, dass es so etwas wie eine Doppelgängererscheinung – das ätherische Gegenstück – eines lebendigen Menschen gibt, wenn dieser seinen Körper verlassen hat.«
»Mmm«, meinte Galen. »Das ist es also, was wir in Obskuros Vorstellung gesehen haben, als sich die Bühne und der Raum mit einer Vielzahl von Doppelgängern gefüllt haben.«
»Sehr gut«, sagte Juda. »Sie begreifen immer noch schnell.«
»Davon habe ich tatsächlich schon einmal gehört«, sagte Maddox. »Ich war einmal bei einem Wissenschaftler namens Tesla zu Gast, der genau diese These aufgestellt hat.«
»Wirklich?«, fragte Juda überrascht. »Einige meiner Grundannahmen stammen aus Teslas Studien.«
»Sie bedienen sich nur bei den Besten, was, Juda?«, sagte Galen.
»In Wissenschaft, Kunst und Politik«, erwiderte Juda mit einem Grinsen. »Allerdings hat Tesla nur den Rand des Kraters gesehen, denn noch rätselhafter als
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