Die Verschollenen
einen attraktiven Kerl, einen bösen Buben, einen Yuppie, einen Schwulen, eine heiße Braut und dich - das hübsche, nette Mädchen von nebenan.«
Becka wurde rot. »Und du bist dann der attraktive Kerl?«
»Ich?« Jetzt war Jerry mit Erröten an der Reihe. »Nein, ich bin nur der Durchschnittstyp.«
»Verdammte Scheiße«, murmelte Troy hinter ihnen. »Ich brauche echt eine verdammte Kippe. Ihr zwei seid so beschissen süß, dass ich noch ins Zuckerkoma falle.«
Sie drehten sich um, um ihn böse anzuschauen, aber dann wurde ihnen klar, dass Troy lachte. Er zwinkerte ihnen verschwörerisch zu, und im nächsten
Moment lachten sie mit ihm. Das Geräusch scheuchte einen brütenden Papagei auf, der seinem Ärger lautstark Luft machte.
Sie gingen weiter.
Becka spürte erneut die Augen im Nacken, aber als sie sich umsah, war es nur die Kamera, die jeden ihrer Schritte beobachtete.
VIER
D as Camp war nicht sonderlich luxuriös ausgestattet. Das rustikale und einfache Lager bestand aus einer großen Konstruktion aus Bambusstangen, Steinen und Blättern - eigentlich nicht viel mehr als ein Dach auf Stützpfeilern mit handgemachten Wänden aus Blättern und Palmwedeln. Eine zweite, ähnliche Konstruktion diente als Latrine; außerdem gab es ein Loch, in dem Regenwasser gesammelt wurde, und eine von Steinen gesäumte Feuerstelle. Die Kandidaten hatten das alles während der ersten Tage auf der Insel selbst gebaut. Wenn sie nicht gerade Wettkämpfe austrugen, die Umgebung erkundeten oder am Strand lagen, verbrachten sie ihre Zeit im Camp, genau wie die Kameracrew.
Doch während die Castaways auf der Insel bleiben mussten, durfte die Crew auf das bequeme Schiff mit all seinen Annehmlichkeiten zurückkehren, wenn sie nicht im Dienst war. Sie arbeiteten in Achtstundenschichten und beobachteten die Kandidaten vierundzwanzig Stunden am Tag, selbst wenn sie schliefen. Es gab neun Kamerateams, die jeweils aus drei Personen bestanden: einem »Shooter«,
einem Tontechniker und einem Regisseur. Es befanden sich immer drei Teams gleichzeitig auf der Insel, zusammen mit mindestens zwei Rettungssanitätern. Außerdem gab es noch Crewmitglieder, die die Kandidaten nie zu Gesicht bekamen oder mit denen sie zumindest nur wenig zu tun hatten - Kulissenbauer und diverse Leute aus dem Produktionsbüro. Die Zuschauer würden nie erfahren, dass diese Leute an der Sendung beteiligt waren, da die Produzenten alles so einrichteten, dass es den Anschein hatte, die Castaways -Kandidaten wären völlig allein auf einer einsamen Insel.
Der Hubschrauber des Senders brachte die Crewmitglieder hin und zurück. Wenn sie nicht arbeiteten, hatten sie an Bord des Schiffes einige Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben, von Videospielen über brandneue Filme bis hin zu einem Swimmingpool und einem Wellnesscenter. Während sie in der Schiffsmesse jeden Abend Hummer, Steak und Pasta serviert bekamen, mussten die Inselbewohner sich mit Reis begnügen - der einzigen Nahrung, die von den Produzenten gestellt wurde. Während die Crew in komfortablen Doppelkabinen schlief, drängten sich die Kandidaten in der Dunkelheit zitternd aneinander. Das Schiff war außerdem mit einer hochmodernen Kommunikationszentrale ausgestattet, so dass die Angestellten des Senders mit ihren Lieben in Kontakt bleiben konnten. Und es gab eine Wäscherei, medizinisches Personal, Berater und sogar
einen konfessionslosen Geistlichen, der jeden Sonntag eine Messe abhielt.
Die Kandidaten, die bereits rausgewählt worden waren, durften diese Annehmlichkeiten ebenfalls genießen - ein kleiner Trost, nachdem sie die Chance auf eine Million Dollar verspielt hatten.
Mark Hickerson, Jesse Carroll und Stuart Schiff waren Veteranen, was die Gattung Reality-TV anging, und sie waren alle seit der ersten Staffel bei Castaways dabei. Mark, der aus Tennessee stammte und dessen blonde Mähne regelmäßig Vokuhila-Wettbewerbe gewann, war ein »Shooter«, also ein Kameramann. Der Tontechniker Jesse kam aus Florida. Er war Gitarrist in einer Band und sammelte in seiner Freizeit seltene Bücher. Stuart lebte die Hälfte der Zeit in seiner Heimatstadt Binghamton im Staat New York und die andere Hälfte in Los Angeles. Er hatte sich während der vergangenen Staffeln hochgearbeitet und war jetzt Regisseur. Der Flurfunk im Sender sah in ihm bereits die nächste große Nummer - das zukünftige Wunderkind des Reality-TV und leitender Produzent seiner eigenen Show. Alle waren sich einig, dass er eine solche
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