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Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole

Titel: Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Townsend
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aufpolieren möchte. Ich lachte ziemlich lange. Schließlich sagte sie: »Ja oder nein?« Ich antwortete: »Das würde in einer Katastrophe enden, du kannst ja nicht mal links von rechts unterscheiden.« Ich erkundigte mich, ob sie schon ihren neuen Gatten gebeten hatte. Sie meinte: »Iwan ist der Meinung, der Straßenverkehr sei auch ohne mich schon gefährlich genug.« Ich riet ihr, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, worauf sie erwiderte, es gebe keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Crème de la Crème der Flohmärkte in Saddington, mitten auf dem platten Land in Leicestershire.
    »Warum fährt Iwan dich nicht nach Saddington?«, fragte ich.
    »Iwan ist gelernter Buchhalter – er wird nervös beim Anblick so vieler Bargeldtransaktionen zwischen unausgebildeten Laien«, sagte sie.
    Iwan war früher Hauptbuchhalter bei der Co-op-Molkerei, bis der kalte Wind des Wandels die Milchflaschen von den Stufen der Zeit wehte und sie durch den Tetrapak im Kühlregal der Supermärkte ersetzte.
    Meine Mutter plapperte immer noch weiter: »Das letzte Mal, als ich auf einem Flohmarkt war, hat mir Iwan den ganzen Spaß verdorben, weil er ständig über den Mangel an Vorschriften genörgelt hat. Er sagte, sowohl die Käufer als auch die Verkäufer seien Anarchisten und sollten gezwungen werden, Steuern und Mehrwertsteuer zu bezahlen.
Er hat sogar Pandora aufgefordert, einen Gesetzesantrag einzubringen: Das Flohmarktregulierungsgesetz.«
    Als sie erwähnte, dass dort auch Abba-Platten und -Memorabilien zum Verkauf stünden, erbot ich mich, sie eines Sonntags hinzufahren.

Montag, 8. Mai
    Mit meinem Vater geht es im Krankenhaus weiter bergab. Nun hat er sich mit einem Virus infiziert (dem durch das outgesourcte Putzen verbreiteten) und liegt auf einer Isolierstation. Tania ist praktisch durchgehend bei ihm. Sie nutzt seinen geschwächten Zustand aus, um ihm große Werke der Weltliteratur vorzulesen. Mit Moby Dick ist sie schon zur Hälfte durch. Als sie einmal auf die Toilette ging, fragte ich meinen Vater, wie ihm Melvilles bemerkenswerte allegorische Seefahrergeschichte gefalle. »Überhaupt nicht«, jammerte er. »Ich kann das Fischen nicht ausstehen.«
    Mir fiel auf, dass Tania eine Ausgabe von George Eliots Silas Marner: Der Weber von Raveloe auf dem Nachttischchen deponiert hat. Offensichtlich sollte das der nächste literarische Leckerbissen zum Vorlesen sein. Ich überlegte, ob ich Tania gegenüber erwähnen sollte, dass mein Vater eine heftige Abneigung gegen Bücher, Filme und Fernsehserien über Kinder hat. (Irgendwas ist ihm mal in einem Kino zugestoßen, während er sich einen Shirley-Temple-Film ansah – was genau, weiß ich nicht, aber es hatte etwas mit einem Gabardinemantel zu tun.)
    Tania hätte festeren Boden unter den Füßen, wenn sie sich an Raymond Chandler oder den frühen Dick Francis hielte.

Freitag, 12. Mai
    Pamela Pigg kam vorbei, um mir mitzuteilen, dass sie für mich ein kleines Reihenhäuschen mit Blick auf ein Kanalbecken in Leicester gefunden habe. Die derzeitige Bewohnerin, eine Mrs Wormington, ist Rentnerin. Sie liegt im Krankenhaus, wird aber derzeit nicht oral ernährt, weshalb Pamela davon ausgeht, dass ich wahrscheinlich in ein paar Wochen einziehen kann. Ich fragte: »Nicht oral ernährt im Sinne von: sie wird bald den Sozialwohnungsbestand entlasten?«
    Pamela sagte: »Sie belegt ein Haus mit vier Schlafzimmern und ist 97 Jahre alt.«
    Daraufhin meinte ich: »Pamela, ich möchte nicht, dass Mrs Wormington sterben muss, damit ich den Blick auf die Kanalboote durch mein Wohnzimmerfenster genießen kann.« Ich erkundigte mich, in welchem Krankenhaus Mrs Wormington liege. Es ist dasselbe, in dem auch mein Vater ist, auf der Pankhurst-Station – was irgendwie passend ist. Wobei Mrs Emmeline Pankhurst damals aus eigenem Willen auf die Nahrungsaufnahme verzichtete.

Sonntag, 14. Mai
    Mrs Wormington wird deshalb nicht oral ernährt, weil sie einen Schlaganfall hatte und nicht vernünftig schlucken kann. Sie hat weder Angehörige noch Freunde: »Die sind mir alle weggestorben, Junge«, erzählte sie mir. Ich befeuchtete ihren Mund mit einem in Wasser getauchten Wattestäbchen. »Ich belästige die Schwestern nicht gern«, krächzte sie.

    Sollen Rentner der sprichwörtliche Mühlstein um meinen Hals sein? Ich spüre schon Mrs Wormingtons altersfleckige Hand an meiner Gurgel.

Mittwoch, 17. Mai
    Nach einem Besuch bei meinem Vater, der von Tania dazu gedrängt wird, das Krankenhaus wegen

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