Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Vernachlässigung und dem Verlust seines Gebisses zu verklagen, ging ich auf die Pankhurst-Station, um nach Mrs Wormington zu sehen. Sie darf immer noch nichts zu sich nehmen, obwohl inzwischen Zweifel hinsichtlich ihrer Schluckfähigkeit bestehen.
Ich war im Zimmer, als eine junge Ärztin in Jeans und T-Shirt (Aufdruck: Vertrauen Sie mir, ich bin Journalistin) brüllte: »Wir haben Mrs Namole, die HNO-Ärztin, gebeten, Sie zu untersuchen, Mrs Wormington.« Ich fragte, ob das bedeute, Mrs Wormington dürfe eine Tasse Tee trinken. »Noch nicht. Wir wollen ja nicht, dass sie erstickt«, gab die Ärztin zurück. »Ich werde sterben, wenn ich nicht bald eine Tasse Tee kriege«, röchelte die Patientin. Hastig eilte die Ärztin von dannen. Ich lief ihr nach. »Wann kommt die HNO-Ärztin das nächste Mal auf die Station?«, wollte ich wissen. »Mrs Namoles nächste Visite hier ist am Freitagnachmittag«, sagte sie.
Als der Teewagen herumgeschoben wurde, baute ich mich als Sichtschutz vor Mrs Wormington auf, doch sie hörte die Räder quietschen. »Ich habe 90 Jahre lang jeden Tag acht Tassen Tee getrunken«, ächzte sie. Die arme Frau gehörte von Rechts wegen in eine Suchtklinik. Sie macht das Äquivalent eines Crack-Entzugs durch.
Als ich im Fäkalienraum nach einer Vase für die Nelken suchte, die ich mitgebracht hatte, hörte ich einen Arzt im Schwesternzimmer über die »Bett-Blockierer« lamentieren. Beim Abschied sagte Mrs Wormington zu mir: »Winkewinke, mein Junge! Gott segne dich, bis morgen.« Ich sitze in der Falle! In der Falle!
Erneut ist ein Rentner in mein Leben eingebrochen und hält mich als Geisel.
Freitag, 19. Mai
Glenn fragte mich, warum die Wäscheleine voller Flanellnachthemden und riesiger Schlüpfer hängt. Ich erzählte ihm von Mrs Wormington, und er sagte: »Da bin ich aber erleichtert, Dad, ich dachte schon, du bist jetzt andersrum.«
Samstag, 20. Mai
Ich wachte um 3:00 Uhr nachts mit einem Ruck auf, genau als Leo Blair geboren wurde (gibt es eine seelische Verbindung zwischen mir und Cherie?). Als ich nach unten ging, entdeckte ich einen Zettel, den Pamela Pigg irgendwann im Laufe der Nacht durch den Briefschlitz gesteckt haben musste. Auf ein herausgerissenes rosa Kalenderblatt hatte sie geschrieben:
Lieber Adrian,
ich war heute auf einem Junggesellinnenabend mit den Mädels aus der Obdachlosenabteilung. Phillipa, die mit den Zähnen, wird am Mittwochmorgen Mary
»heiraten«, die mit der Nase. Wir waren im Humperdink’s, diesem neuen Nachtklub in Melton Mowbray. Ich fühlte mich schrecklich deplatziert, um mich herum waren lauter halbwüchsige, sehr knapp bekleidete Mädchen. In meinem gepunkteten Outfit von Principles kam ich mir so altbacken vor. Das ist das letzte Mal, dass ich eine Empfehlung der Moderedakteurin des Leicester Mercury befolge.
Worum es mir aber eigentlich geht, Adrian, ist, dass der DJ unser Lied gespielt hat, »My Heart Will Go On«. Ich musste sofort die Tanzfläche verlassen. Kannst du dich noch an deinen Gefühlszustand erinnern, als wir nach der vom Leonardo-di-Caprio-Fanklub veranstalteten Sondervorführung von Titanic aus dem Multiplex kamen? Damals habe ich zum ersten Mal einen erwachsenen Mann weinen sehen. Das war ein großes Privileg. Ich vermisse dich, Adrian. Können wir es nicht noch einmal versuchen? Es war dumm von mir, mich wegen deines albernen Schweinebuchs so aufzuregen. In ewiger Liebe,
Pammy
PS: Mary und Phillipa meinten, du kannst gern auch zur Hochzeit kommen. Ich soll ihre Trauzeugin sein. Statt Geschenken wird um Spenden an die Fawcett Society für die Gleichstellung von Frauen gebeten. PPS: Ich hatte aufwühlende Fantasien, mich dir hinzugeben.
Das ist doch Erpressung! Wenn ich mit ihr zu dieser Lesbenhochzeit gehe, dann wird sie sich mir »hingeben«, oder was? Als ob ich noch eine weitere Minute in der Gesellschaft
einer Frau verbringen wollte, die einen feministischen Wutanfall bekam, weil sie in meinem Bücherregal Philip Larkins Tagebücher entdeckte.
Mittwoch, 24. Mai
Die Hochzeit lief ganz gut. Ich war der einzige Mann dort. Selbst die Standesbeamtin war eine Frau. Ist das der Anfang vom Ende für die Männer? Pamela kam hinterher mit zu mir, weigerte sich aber, sich mir »hinzugeben«, als sie eine Ausgabe der Briefe von Kingsley Amis auf meinem Nachttisch und Mrs Wormingtons Schlüpfer auf der Wäscheleine entdeckte.
Sonntag, 28. Mai
Arthur Askey Way
Die Ähnlichkeit zwischen Leo Blair und William Hague
Weitere Kostenlose Bücher