angefleht, ihm heute Nachmittag bei der Flucht aus dem Krankenhaus zu helfen. Er sagte, der Schlafmangel und die wundgelegenen Stellen raubten ihm langsam den Lebenswillen. Seine falschen Zähne sind noch nicht wieder aufgetaucht, trotz einer internen Ermittlung auf höchster Ebene. Er lebt von Suppe und Haferbrei – falls jemand daran denkt, ihn zu füttern. Er selbst ist praktisch hilflos.
Ich persönlich gebe Tania, seiner neuen Frau, die Schuld an seinem Unfall. Mein Vater ist zu alt, um auf einer Leiter herumzuturnen und unter ihrer peinlich genauen Anleitung eine Pagode im japanischen Stil zu errichten. Ich habe angeregt, einen Dienstplan aufzustellen, damit
zu den Mahlzeiten immer jemand aus der Familie vor Ort ist.
Außerdem rief ich Pandora in ihrem Büro in Westminster an und bat sie, inkognito ins Krankenhaus zu kommen. Dann könne sie die Dritte-Welt-Bedingungen mit eigenen Augen sehen. Sie sagte, sie würde ja »vorbeischauen«, wenn sie könnte, aber sie sei »schwerst beschäftigt« mit Frank Dobsons Bürgermeisterkandidatur. Ich stieß ein hohles Lachen aus und fragte, ob ihr bewusst sei, dass heute in Australien und Neuseeland Anzac Day sei, der Jahrestag eines ähnlich zum Scheitern verurteilten Feldzugs.
Donnerstag, 27. April
Bevan-Station
Ein Brief aus Nigeria von meiner Exfrau Jo-Jo, Williams Mutter und Erbin eines LKW-Reifenhersteller-Vermögens. Ich lebe in der ständigen Angst, Jo-Jo könnte William zu sich holen, wenn der Bürgerkrieg in Nigeria vorbei ist.
Lieber Adrian,
deine Mutter hat mir geschrieben, dass William in »moralisch bedenklichen Verhältnissen« lebt. Sie schreibt, er verkehre »tagtäglich« mit Kriminellen. Kann das wahr sein? Ich habe mir im Internet die Satellitenaufnahme des Arthur Askey Way angesehen und zu meiner großen Beunruhigung entdeckt, dass vor deinem Haus ein ausgebranntes Auto steht. Außerdem konnte ich erkennen, dass dein Vorgarten
extrem verwahrlost ist. Ist das etwa die Matratze, auf der wir früher geschlafen haben?
Bitte vergiss nicht, Adrian, dass William halb Nigerianer und der Enkel eines Stammesführers ist. Daher ist es von größter Wichtigkeit, dass er sehr sorgfältig erzogen wird. Meine Lebensumstände erlauben mir momentan nicht, ihn zu mir zu holen, daher bitte ich dich inständig, William aus der Gaitskell-Siedlung zu entfernen, bevor sein Charakter und seine Persönlichkeit unwiderruflich beschädigt sind.
Ich habe versucht, dich telefonisch zu erreichen, aber eine Stimme vom Band teilte mir mit, es sei »nicht möglich, Ihre Verbindung herzustellen«. Daraufhin habe ich dich im Internet recherchiert und zu meiner Bestürzung entdeckt, dass du als hohes Kreditrisiko giltst und bei deinem Zeitungsladen 75,31 £, beim Milchmann 43,89 £ und bei der British Telecom 254,08 £ Schulden hast. Eine eingehendere Suche förderte zutage, dass dein Konto um 947,16 £ überzogen ist. Des Weiteren fand ich die Information, dass du dir am 19. Dezember 1999 dein gesamtes Guthaben bei der Bausparkasse hast auszahlen lassen. Dieses Geld war für Williams Klavierstunden beiseitegelegt. Hat er Unterricht?
Ich mache mir große Sorgen um deine geistige Gesundheit. Durch eine Recherche in deinen Krankenakten fand ich heraus, dass du im vergangenen Monat dreimal beim Arzt warst und dich darüber beklagtest, du würdest ausgespäht. Dein Arzt machte sich die Notiz: »Möglicherweise leichte Paranoia.« Bitte schreib mir unter
[email protected].
1984 ist also gekommen, im Jahr 2000. Das ist das Ende der Privatsphäre. Ich könnte ebenso gut nackt durch die Straßen laufen und die unbedeutenden Einzelheiten meines Lebens laut herausbrüllen.
Ich stellte meine Mutter zur Rede und warf ihr schwere Treulosigkeit vor. Sie zeigte keine Reue. »William verbringt zu viel Zeit bei den Ludlows«, sagte sie. »Vince Ludlow ist ein Berufsverbrecher, du meine Güte!« Ich muss gestehen, liebes Tagebuch, dass Williams Bezugssystem sich in letzter Zeit erweitert hat. Gestern Abend hörte ich ihn zu Glenn sagen: »Mad Frankie Fraser war um einiges härter drauf als Charlie Kray.«
Samstag, 29. April
Ich fragte Pamela Pigg nach der Maisonettenwohnung, die sie mir versprochen hatte. Sie antwortete (genüsslich, wie ich fand): »Die habe ich einer Asylbewerberfamilie gegeben.« Ich schlug einen Wohnungstausch vor, worauf sie entgegnete: »So verzweifelt sind die auch wieder nicht.«
Montag, 1. Mai
Arthur Askey Way
Heute fuhr ich meine Mutter ins