Die Verschwörer von Kalare
Donnergrollen klang.
»Das«, meinte Ehren leise, »sind aber viele Canim.«
Vorn in der Mitte der Armee blieb nur eine einzige Gestalt stehen - der gleiche Cane, mit dem Tavi früher am Tag kurz gesprochen hatte. Er ließ den Blick über die Canim in ihren Rüstungen schweifen, nickte und zog dann ein langes, geschwungenes Kriegsschwert von der Seite. Diese Waffe hielt er, der Stadt zugewandt, in die Höhe und legte sie dann auf den Boden. Daraufhin ging er auf das mit Leichen übersäte Schlachtfeld zwischen den beiden Armeen zu und hielt auf halbem Weg zur Mauer an.
»Aleranischer Hauptmann!«, rief der Cane mit tiefer, durchdringender Stimme. »Ich bin Kriegsmeister Nasaug! Ich möchte Worte mit dir wechseln! Komm her!«
Max sog überrascht den Atem ein.
»Na«, murmelte Ehren, »na, na, na. Höchst interessant.«
»Was hältst du davon, Max?«, fragte Tavi.
»Die denken, wir wären vollständig verblödet«, meinte Max. »Sie haben ihr Wort bereits einmal gebrochen, als sie dich beim letzten Mal umbringen wollten, als du bei ihnen warst, Hauptmann. Ich würde sagen, wir erweisen ihnen den gleichen Gefallen. Ruf deine Ritter Flora, lass sie ein paar Pfeile abschießen, und damit ist die Sache erledigt.«
Tavi lachte auf. »Das wäre vermutlich das Klügste.«
»Aber du wirst natürlich mit ihm reden«, stellte Max fest.
»Ich ziehe es jedenfalls in Betracht.«
Max zog eine düstere Miene. »Schlechte Idee. Lass lieber mich gehen. Wenn er frech wird, zeige ich ihm, wie wir im Norden solche Dinge handhaben.«
»Er hat mich bereits gesehen, Max«, antwortete Tavi. »Also muss ich gehen. Wenn er eine einzige falsche Bewegung macht, schießt ihr ihn über den Haufen. Ansonsten lasst ihr ihn in Ruhe. Und sorgt dafür, dass jeder auf der Mauer Bescheid weiß. Inzwischen holt ihr Marcus wieder nach oben.«
»Meinst du, dass du einen Keil zwischen ihren Anführer und die Krieger getrieben hast?«, fragte Ehren.
»Möglicherweise«, antwortete Tavi. »Wenn dieser Nasaug uns angegriffen und nicht dort draußen angehalten hätte, wäre es uns vermutlich ziemlich schlecht ergangen. Jetzt bekommen wir Gelegenheit, einmal durchzuatmen und uns neu zu formieren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich Sarl darüber freut.«
Ehren schüttelte den Kopf. »Mir gefällt das nicht. Warum tut er das?«
Tavi holte tief Luft und erwiderte: »Ich geh dann mal raus und frage ihn.«
Diesmal ritt er nicht, sondern ging zu Fuß durch das Tor, das nur einen Spalt geöffnet wurde, um ihn durchzulassen. Vor der Mauer stank es nach Blut und Angst und Verwesung. Canim-Leichen waren zu Haufen aufgetürmt, und nach dem Ende der Kampfhandlungen hatten sich Tausende von Krähen niedergelassen und mit ihrem Festmahl begonnen.
Er musste sich anstrengen, damit ihm nicht übel wurde, während er hinaus zu dem Kriegsmeister ging - einem Rang, der dem eines aleranischen Hauptmanns entsprach, dem eines Befehlshabers über eine ganze Armee. Zwanzig Schritt vor dem Cane zog er sein Schwert und legte es neben sich auf den Boden. Gleichgültig ob mit oder ohne Waffe, er hatte kaum eine Chance gegen einen kampferfahrenen Cane in Rüstung. Allerdings konnte er die Blicke der Aleraner hinter sich geradezu körperlich spüren. Sie stellten einen besseren Schutz dar als ein Pferd oder eine Panzerung. Alles in allem hatte Tavi die vorteilhaftere Position, denn Nasaug stand in Reichweite von Tavis Männern. Tavi hingegen war weit von dem Canim-Heer entfernt.
Allerdings musste er zugeben, dass die Größe des Cane allein genügte, um ihn vor Tavi zu schützen. Ganz zu schweigen von seinen natürlichen Waffen, den Zähnen und den Krallen. Die Situation war durchaus nicht ausgeglichen, aber ein besseres Verhältnis würde er sicherlich nicht bekommen.
Tavi blieb zehn Fuß vor Nasaug stehen. »Ich bin Rufus Scipio, Hauptmann der Ersten Aleranischen.«
Der Cane betrachtete ihn aus dunklen, blutunterlaufenen Augen. »Kriegsmeister Nasaug.«
Tavi war sich nicht sicher, wer sich zuerst bewegte, und er erinnerte sich auch nicht, sich bewusst zu dieser Geste entschlossen zu haben, aber beide legten den Kopf leicht zur Seite und begrüßten einander.
»Sprich«, sagte Tavi.
Die Lippen des Cane zogen sich über die Zähne zurück, eine Mimik, die auf Belustigung oder auch auf eine unterschwellige Drohung hindeuten mochte. »Wie es sich ergeben hat, konnte ich meine Gefallenen nicht innerhalb der Frist bergen, die du mir eingeräumt hast«, sagte er. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher