Die Verschwörer von Kalare
sie den Feind an eine Zinne, wo andere Legionares sich seiner mit brutaler Entschlossenheit annahmen.
Tavi wollte ein schweres Seil durchhacken, das auf dem Wehrgang gelandet war, aber es war so zäh, dass es selbst nach mehreren Hieben nicht durchtrennt war. Schon griff ein weiterer Cane nach der Mauerkante, um sich hochzuziehen, dem jedoch schlug Tavi auf die Hand. Der Angreifer stieß einen lauten Schrei aus und stürzte rückwärts in die Tiefe. Tavi konnte das Seil endlich durchtrennen.
Als er wieder aufsah, nahmen sich seine Legionares gerade des zweiten Cane auf der Mauer an, den sie ebenfalls zurückdrängten, wobei einem der Veteranen vom Sichelschwert des Cane die Hand vom Arm getrennt wurde. Überall wurden die Seile durchgehackt, die auf der Mauer gelandet waren. Vor dem Tor heulte Wind auf, Flammen loderten in die Höhe, und die ganze Zeit über hagelten diese großen Steine auf Kopf und Schultern der Aleraner nieder.
»Eimer!«, schrie Tavi. »Jetzt!«
Legionares griffen zu den Eimern, die mit Pech, siedendem Wasser oder heißem Sand gefüllt waren, und schütteten sie über die Mauer auf die Canim, was unten lautes Geschrei hervorrief. Dadurch hatten andere Verteidiger Zeit, die verbliebenen Seile hinabzuwerfen, und die Bogenschützen nahmen die Gelegenheit
beim Schopf, Salven auf die Canim abzuschießen, wodurch es beim Feind weitere Verwundete gab, noch bevor Crassus und seine Ritter ein zweites Mal an der Mauer entlangpreschten und den Gegner mit ihren Windböen taub machten und blendeten.
Die Moral der Angreifer ließ nach, und sie ergriffen die Flucht, erst zögerlich, dann aber in einer großen Welle. Die Bogenschützen schickten ihnen Pfeile hinterher, so schnell sie diese abschießen konnten, und vergrößerten die Verluste, während die Legionares bereits in Jubel ausbrachen.
Tavi kümmerte sich nicht mehr um die Canim, sondern schaute sich auf der Mauer um. Der Angriff war zurückgeschlagen worden, aber er hatte den Verteidigern einen hohen Preis abverlangt. Der Steinhagel hatte eine verheerende Wirkung gehabt, und Heiler eilten herbei, um den Verwundeten zu helfen, deren Zahl sogar noch größer war als die der Gefallenen. Die unerfahrenen Rekruten, die als Ablösung auf die Mauer gekommen waren, verfügten nicht über die Erfahrung der Veteranen, und das Durcheinander, das nun entstand, als Heiler und Legionares die Verwundeten in den Hof schleppten, half auch nicht gerade bei der weiteren Verteidigung. Die Legionares hatten die Mauer halten können, doch wenn sie sich nicht rasch neu formierten und die Disziplin auf dem Wehrgang wiederherstellten, konnten sie leicht von den Canim überwältigt werden. Oder zumindest wäre das höchstwahrscheinlich bald passiert, wenn der Gegner den Angriff nicht abgebrochen hätte.
Die tiefen Hörner der Canim erschollen und lenkten Tavis Blick hinaus zum Heer vor der Mauer.
Die Krieger in schwarzer Rüstung hatten sich erhoben und bewegten sich mit erschreckender Geschwindigkeit auf die Stadt zu.
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Tavi holte tief Luft, als die Krieger heranstürmten. Er war sicher gewesen, sie würden bei Sonnenuntergang zuschlagen, also erst in einer Stunde, und im Augenblick war Marcus nicht auf der Mauer. Wenn die Falle erfolgreich zuschnappen sollte, mussten die Canim abgelenkt werden, und laut Plan hätten sich die Aleraner kämpfend zurückziehen sollen, damit die Krieger den Druck auf die Verteidiger aufrechterhalten mussten.
Nun gab es allerdings ein Problem: Die vorgetäuschte Panik konnte sich leicht in echte verwandeln, und dann würde die Lage vollkommen außer Kontrolle geraten. Da Disziplin und Ausbildung die einzigen Vorteile waren, die der Legion eine Chance gegen einen Feind wie die Canim verschafften, würde nur ein Befehlshaber, der besonders dumm war oder sich in einer besonders verzweifelten Lage befand, in diesem Moment ein derart riskantes Vorgehen in Erwägung ziehen.
Tavi nahm an, er war vermutlich sowohl besonders dumm als auch besonders verzweifelt.
»Ich brauche Max, und zwar sofort«, sagte er zu Ehren, und der junge Kursor sprang von der Mauer auf die Ladefläche eines Wagens, der dort abgestellt war, und rannte über den Platz.
»Zenturionen, die Ablösung muss sofort beendet werden, alle Nichtkämpfer müssen von der Mauer!«, brüllte Tavi. »Heiler, nehmt die Wagen, und bringt die Verwundeten ins Feldlazarett!« Damit drehte er sich um und gab ein Handzeichen zum Dach eines Hauses, das mehrere Straßen entfernt war und auf
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