Die Verschwörer von Kalare
Verwundungen nach sich zogen, wirkten beinahe noch verheerender als tödliche Geschosse. Die verwundeten Canim schrien und schlugen wild um sich und mussten jeweils von zwei Kameraden aus dem Kampfgetümmel getragen werden, was die Geschwindigkeit, mit der die Angriffsmanöver ausgeführt wurden, abermals herabsetzte. Die Toten hingegen blieben einfach liegen, wo sie gefallen waren.
Die Verluste der Canim gingen in die Hunderte, und an manchen Stellen türmten sie sich so hoch auf wie Klafterholz und dienten dann den Lebenden sogar als Schutz vor den feindlichen Pfeilen. Tavi wusste jedoch, der Gegner konnte die Verluste wesentlich besser verkraften als die Aleraner. Soweit es Sarl betraf, dachte Tavi, verringerte ihr Tod eigentlich nur die Anzahl hungriger Mäuler, die es zu füttern galt. Wenn sie im Sterben noch einen Aleraner mit in den Tod rissen, umso besser.
Und dann geschah es. Die Legionares wurden gerade abgelöst, von einer Kohorte, in der viel mehr unerfahrene Rekruten Dienst taten. Der Steinhagel wurde besonders dicht, und die Geschosse wurden vom Fundament der Mauer geschleudert, weshalb sie wegen der steilen Flugkurve beinahe senkrecht auf die Verteidiger herabprasselten. Sie trafen zwar nicht mit der gleichen Wucht wie die gezielten Würfe, doch brauchten sie ihrer Größe wegen nur wenige Fuß tief zu fallen, um sogar für einen Legionare in Rüstung eine erhebliche Gefahr darzustellen.
Tavi stand etwa zwanzig Fuß entfernt, als es passierte, und er hörte, wie Knochen brachen, kurz bevor die Verwundeten laut zu schreien begannen.
Dann ertönte wildes Geheul und Schlachtrufe von den Canim, und überall entlang der Mauer wurden vermehrt Seile mit Haken hinaufgeworfen, während von hinten ein weiterer Rammbock im Sturmschritt herangetragen wurde.
Tavi schaute eine Sekunde lang nur gebannt zu, um zu verstehen, was eigentlich vor sich ging. Doch er wusste, dass er handeln musste, und zwar schnell, um nicht überrannt zu werden. Er musste die Ritter an die Stelle schicken, wo sie den größten Schaden beim Feind anrichten konnten. Wenn Canim auf die Mauer gelangten, konnte man sie zurückdrängen oder zumindest an der betreffenden Stelle festsetzen, da die nächsten über die Seile nur langsam nachrückten. Wenn das Tor jedoch zerstört war, würde der Feind viel schneller vordringen. Es hatte also äußersten Vorrang, das Tor zu halten.
Tavi stieß einen scharfen Pfiff aus und gab Crassus ein Zeichen, die Mitte der gegnerischen Reihen anzugreifen - er musste darauf vertrauen, dass der junge Rittertribun den Rammbock entdeckte und ebenfalls als größte Gefahr für die Stadt erkannte. Mehr konnte er gegen die Ramme nicht ins Feld führen, denn die einzigen Legionares , die nicht damit beschäftigt waren, Angriffe über die Seile abzuwehren, waren die Männer über dem Tor. Tavi wählte einige von ihnen aus. »Du, du und du. Mit mir.«
Die Legionares packten Schilde und Waffen, und Tavi führte sie zu einem Punkt, wo zwei Canim bereits oben auf der Mauer gelandet waren. Weitere folgten ihnen. Ein Rekrut schrie, stürzte sich auf den vordersten Cane und vergaß dabei den wichtigsten Grundsatz beim Kampf in der Legion - gemeinsames Vorgehen. Der Cane war lediglich mit einem schweren Holzknüppel bewaffnet, aber ehe der Legionare nahe genug an ihn herankam, um seinen kurzen Gladius einzusetzen, hatte der Cane bereits weit ausgeholt und gegen den Schild des Verteidigers gehauen. Der Legionare flog durch die Luft und landete krachend unten auf dem Stein des Platzes.
»Ehren«, rief Tavi und zog gleichzeitig sein Schwert. Der Cane packte seinen Knüppel fest und holte aus, weil er zuschlagen wollte, ehe Tavi ihm zu nahe kam.
Doch gerade, als der Angreifer zum Schlag ansetzte, zischte
etwas Stählernes durch die Luft, und Ehrens geschickt geworfenes Messer traf den Cane in die Schnauze, leider nicht genau mit der Spitze, so dass es nur einen kleinen Schnitt in der schwarzen Nase hervorrief. Trotzdem hatte die kleine Wunde tödliche Folgen. Der Cane wich zurück, als er an dieser empfindlichen Stelle getroffen wurde, und damit verlor seine Attacke ihren Schwung. Tavi schob sich seitlich an dem schweren Knüppel vorbei und schlitzte dem Gegner die Kehle bis zum Rückgrat auf.
Der tödlich verwundete Cane ließ den Knüppel fallen, fletschte die Zähne und versuchte Tavi zu packen, doch der drängte weiter vor, unterstützt von einem Legionare , der von hinten herangestürmt war, und gemeinsam stießen
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