Die Verschwörer von Kalare
den Armen gehalten hatte, fühlte er diesen friedlichen Widerhall in der Berührung, Wärme, Trost und tiefe Befriedigung. Die Erinnerung daran, sie verloren zu haben, hatte dieses unangenehme Gefühl der Einsamkeit hervorgebracht. Und so hätte es ihm doch eigentlich auch jetzt ergehen müssen.
Aber das Grummeln war verstummt. Warum?
Er hatte sich gerade die Seife abgewaschen, als ihn urplötzlich die Erkenntnis traf.
Mit einem unterdrückten Fluch hievte er sich aus der Wanne, schnappte sich ein Handtuch und trocknete sich rasch den Körper ab. Er zog sich, mit noch feuchten Armen, eine einfache Robe über, die auf einem Stuhl gefaltet lag, und marschierte aus dem Badezelt hinaus auf den Hof in der Mitte.
Im Weinzelt herrschte irgendein Aufruhr, und Tavi sah Bors, der gerade dorthin stapfte. Die blinde Frau saß neben einem der Zelte und spielte auf ihrer Flöte. Tavi ging zu ihr.
»Was machst du denn bloß hier?«, zischte er der Frau zu.
Die Blinde nahm die Flöte von den Lippen, und ihr Mund kräuselte sich zu einem Lächeln. »Ich zähle die Tage, bis du mich erkennst«, erwiderte sie. »Obwohl ich schon glaubte, ich könnte auch Wochen zählen.«
»Bist du verrückt geworden?«, flüsterte Tavi scharf. »Wenn jemand bemerkt, dass du eine Marat bist …«
»Ist derjenige jedenfalls wesentlich aufmerksamer als du, Aleraner«, fauchte Kitai.
»Du hättest in Ceres beim Familientreffen sein sollen.«
»Du auch«, gab sie zurück.
Tavi schnitt eine Grimasse. Jetzt, da er erkannt hatte, wer »Gerta« in Wirklichkeit war, fielen ihm die verschleierten Merkmale viel stärker ins Auge. Sie hatte sich das feine, silbrige Haar mehr schlecht als recht schwarz gefärbt und es absichtlich verfilzen lassen. Die Pockennarben hatte sie sich mit Schminke aufgemalt, und hinter der Binde versteckte sie die schräg stehenden Augen.
»Ich kann nicht glauben, dass der Erste Fürst dich hat davonreiten lassen.«
Sie lächelte und zeigte ihre äußerst weißen Zähne. »Ich habe mir noch nie sagen lassen, wohin ich gehe oder wo ich bleibe. Nicht von meinem Vater. Nicht vom Ersten Fürsten. Und auch nicht von dir.«
»Gleichgültig. Ich muss dich hier fortschaffen.«
»Nein«, sagte Kitai. »Du musst herausfinden, wem der Kommissionär aus Parcia Bericht erstattet.«
Tavi blinzelte sie an. »Wie hast du …«
»Wie du dich vielleicht noch erinnerst«, antwortete sie grinsend, »habe ich sehr gute Ohren, Aleraner. Und wenn ich hier so sitze, erfahre ich eine ganze Menge. In Gegenwart einer Verrückten passt kaum einer auf, was er sagt.«
»Du hast hier einfach nur herumgesessen?«
»Nachts kann ich mich freier bewegen und erfahre mehr.«
»Warum?«, fragte Tavi.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich tue einfach nur das, was ich schon seit Jahren tue, Aleraner. Ich beobachte dich und dein Volk. Und ich lerne von euch.«
Tavi seufzte resigniert, legte ihr jedoch die Hand auf die Schulter. »Schön, dich zu sehen.«
Sie langte nach oben und drückte seine Hand mit ihrer. Ihre Finger waren heiß, und sie gab einen wohligen Laut von sich. »Ich habe deine Abwesenheit nicht genossen, Chala .«
Auf der anderen Seite des Pavillons ertönte ein Schrei, dann flog ein betrunkener Legionare aus dem Weinzelt. Bors folgte ihm auf dem Fuße und versetzte ihm noch ein paar Tritte, bis er den Mann vertrieben hatte.
Kitai zog ihre Hand von Tavis zurück, und die Stelle fühlte sich auf seiner erwärmten Haut plötzlich kühl an. »Also, Rufus Scipio. Wenn dich jemand sieht, wie du mit einer Schwachsinnigen redest, wird das einen seltsamen Eindruck machen. Geh jetzt, sonst verscheuchst du mir die Beute.«
»Wir müssen uns wieder sprechen«, sagte Tavi. »Bald.«
Kitai lächelte verführerisch. »Es gibt vieles, was wir bald tun müssen, Aleraner. Warum Zeit mit Reden verschwenden?«
Tavi errötete, allerdings ging die Sonne heute in sehr starkem Rot unter, weshalb es möglicherweise niemandem auffiel. Kitai setzte die Weidenflöte wieder an die Lippen, sank in sich zusammen und spielte ihre Rolle weiter. Bors, der noch einmal kurz im Weinzelt verschwunden war, kehrte zurück und nahm am Feuer Platz. Tavi schüttelte den Kopf, ging ins Badezelt und wartete dort auf seine gewaschene Kleidung.
Er schloss die Augen, lauschte Kitais Flötenspiel und erwischte sich dabei, wie er breit grinste.
12
Vorellos Teich war einer der schönsten Orte, den Isana je gesehen hatte. Das Gasthaus umschloss einen kristallklaren Teich in einer
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