Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
ins Café Meier. Die trinken ihre Latten stilecht »chez Albert«, einem aufgepimpten Laden, in den wir wiederum niemals auch nur eine Zehe setzen würden. Jetzt ist es also passiert. Zum ersten Mal stehe ich einer dieser bildungsbeflissenen Schnepfen gegenüber, vor den Spiegeln auf dem Damenklo und denke: Genau. So habe ich mir die immer vorgestellt. Wahrscheinlich hat sie sich das fünfte Klavierkonzert von Rachmaninow als Klingelton aufs Handy geladen.
»Feind?« wiederhole ich das F-Wort lauernd. Wir schießen uns gegenseitig Pfeile in die Augen, sehr lange, mindestens zehn Sekunden, wie in Western, kurz bevor die Colts sprechen. Wenn sie jetzt eine dumme Bemerkung macht, freut sich ihr Schönheitschirurg über ein gebrochenes Nasenbein. Schönheitschirurg? Entweder hat sie keinen oder einen entsetzlichen Stümper, dieses potthässliche Mannweib.
»Naja«, lächelt sie nun und entspannt sich ein wenig, »nicht direkt Feind. Aber mal ehrlich: Das Frauenbild, das sie da liebevoll aufpäppeln, ist doch von vorgestern. Vor allem diese Schlankheitshysterie.«
Sie hat natürlich Recht, aber das würde ich niemals zugeben. Wir produzieren eben Träume, wir vermitteln Werte, wir geben unseren Leserinnen Halt in einer haltlosen Welt. Klingt doch gut, oder? Unsinn klingt meistens gut.
»Keine Journalistin?« frage ich nach.
Sie schüttelt resolut den Kopf. »Um Himmelswillen! Ich bin Gymnasiallehrerin für Deutsch und Sozialkunde, Thea Braake, angenehm.« Sie hält mir ihre Schüttelhand hin, ich nehme sie. »Paula Pfaff... Sekretärin.« Und dann lachen wir beide los, völlig ohne Grund.
»Darf ich dich zu einem Espresso einladen, Paula?«
Hm, Zeit habe ich eigentlich keine. Andererseits könnte man das hier als eine missionarische Tätigkeit verstehen. Die Errettung einer armen, Frau im Spiegel der Welt – losen Seele, die, ganz nebenbei, sicherlich Dutzende von jungen Mädchen unterrichtet, alle potentielle Leserinnen unseres Blattes.
Also sage ich, als wir wieder im Gastraum sind, »gerne« und wir setzen uns an Theas Tisch. Elvira wird herbeigerufen und mit der Beschaffung der Espressos (die schwindsüchtigen Weiber von Frau mit Verstand würden jetzt »Espressi« korrigieren) beauftragt. »Aber mit einer Extraportion Zucker, bitte!« schärft Thea der Serviererin ein. Mir läuft es kalt über den Rücken.
Und wieso duzen wir uns eigentlich schon? Keine Ahnung.
Die Fassade bröckelt
Wir finden rasch heraus, dass wir einiges gemeinsam haben. Beide sind wir 44 Jahre alt und geschieden, haben zur gleichen Zeit an der hiesigen Uni studiert, ohne uns jedoch über den Weg gelaufen zu sein. Was ich denn studiert hätte? Das bringt mich in Verlegenheit. »Journalismus« darf ich ja nicht sagen und so langsam frage ich mich, warum ich meinen Beruf eigentlich verleugne. »BWL«, lüge ich also. »Nach der Scheidung musste ich eben auf Sekretärin umschulen, aber war nicht schlimm.«
Thea nickt. »Mein Verflossener ist auch Lehrer, ich habe immer gearbeitet. Und übrigens: Ich bin weder lesbisch noch Feministin, also keine Angst!«
Hm. Ich verschweige lieber auch, dass ich als Studentin kurzzeitig dem F eministischen Kampfbund angehört habe und für unsere Zeitung verantwortlich war, die allerdings auch nur einmal erschienen ist. Auf dem Titelbild war eine Schere abgebildet, darunter stand: »Man kann mit Scheren nicht nur Fäden abschneiden! Mädels, hört auf zu stricken!«
Der Feministische Kampfbund löste sich dann schnell wieder auf. Ich glaube, Lena, unsere erste Vorsitzende, war daran schuld. Eines Tages teilte sie uns mit, sie sei schwanger und müsse heiraten. Schwanger? Lena? Aber die war doch... eben nicht. Heute sitzt sie für die CDU im Stadtrat und kämpft für das Ehegattensplitting.
»Ich habe nichts gegen Lesben«, sage ich lässig. »Und Feministinnen sind wir im Grunde doch alle, oder?«
Das sei wohl so, bestätigt Thea. »Aber weißt du, gerade diese Frauenzeitschriften... okay, ich weiß, du kannst nichts dafür. Du musst den Lebensunterhalt für dich und deine Tochter verdienen. Nur... kommst du dir nicht manchmal ziemlich dämlich vor bei diesem ganzen Promiblödsinn, den Häkelanleitungen, den Kochrezepten und – dieser unsäglich dummen Diätkolumne?«
Okay, vor allem das mit den Kochrezepten stimmt natürlich. Vorigen Monat habe ich wieder einmal vor zuviel fetter Sahne gewarnt – und was machen die Tussen aus der Kochrezepte-Abteilung? Sie schwärmen für Aprikosentorte mit
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