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Die Verschwoerung der Fuersten

Die Verschwoerung der Fuersten

Titel: Die Verschwoerung der Fuersten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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dem Absatz um und schritt mit hocherhobenem Haupt davon. Folbert nickte dem Burggrafen zu und folgte dem Kämmerer. »Einem Dompropst würde es schlecht zu Gesicht stehen, wenn er wie Ihr …«, hörten ihn die anderen seinen Streit mit Pothinus fortsetzen, dann wurde seine tiefe Stimme von der Glocke übertönt, die die Terz verkündete.
    Bandolf seufzte erleichtert auf, nachdem die beiden Domherren den Platz verlassen hatten. Emeram lächelte ein wenig gequält.
    »Seit Propst Eginhard nach Magdeburg abberufen worden ist«, erklärte er, »bewerben sich Pothinus und Folbert um das freigewordene Amt.«
    »Und zanken sich wie Weiber auf dem Markt«, konstatierte Bandolf. »Verzeiht, Wipert. Tretet ein Stück beiseite.«
    Der Thesaurarius trat zurück, und aus den Augenwinkeln bemerkte Bandolf, dass Arbogast, der kleine Sakristan, auf Zehenspitzen davonhuschte. Sein Interesse beschränkte sich offenbar auf Leichen älteren Datums, denen der Duft der Heiligkeit anhaftete, und nicht der banale Geruch nach Blut.
    Bandolf rief nach Prosperius, doch sein hasenfüßiger Schreiber nutzte Bruder Osberts Rücken als Deckung und rührte sich nicht.
    Ärgerlich zog der Burggraf das Tuch selbst beiseite, mit
dem Emeram den Toten den neugierigen Blicken der Lebenden entzogen hatte, und drückte es dem blassen Priester in die Hand. Stirnrunzelnd musterte er den Leichnam.
    Ludger von Blochen lag lang ausgestreckt mit dem Gesicht nach unten auf der Erde. Arme und Beine lagen am Körper an, als hätte man seine Gliedmaßen nachträglich so arrangiert. Er trug ein knielanges Hemd aus fein gesponnenem, dunkelgrünem Leinen, das am Saum und an den langen Ärmeln mit einer bestickten Borte geschmückt war. Seine Beinlinge, ebenfalls aus teurem Stoff, waren safrangelb, und er trug Schuhe aus Leder, die über seine Knöchel reichten und an den Sohlen und Spitzen mit dunkler Erde beschmutzt waren. Kleine dünne Zweige, Erde und trockene Blattkrümel hafteten in seinem dichten, blonden Haar, das nach neuester Mode halslang geschnitten war. Nur die Haarspitzen klebten zusammen und standen wie rot gefärbte kleine Eiszapfen von seinem Kopf ab. Auch an seinem Hinterkopf gab es eine Stelle, die Blutspuren aufwies. Bandolf tastete behutsam darüber.
    »Da ist eine Beule«, sagte er laut. »Jemand hat ihn auf den Kopf geschlagen.« Er bekam keine Antwort, aber Bandolf hatte auch keine erwartet. »Hmm«, murmelte er. »Stark geblutet hat er aber nicht.« Er wandte sich an Emeram. »Hat Ludger schon so dagelegen, als Ihr ihn gefunden habt?«
    »Nun, mehr oder weniger hat er so dagelegen«, sagte der Priester zögernd.
    »Habt Ihr ihn umgedreht?«
    »Nein, umgedreht habe ich ihn nicht«, antwortete Emeram leise. Osbert, der Cellerar, reckte den Hals, um besser hören zu können, was der Priester sagte, und hinter seiner Schulter lugte das grünlich verfärbte Gesicht von Prosperius hervor.
    »Ich habe nur seine Beine zurechtgelegt«, gab Emeram
schließlich zu, und eine tiefe Röte schoss in seine blassen Wangen, was ihn noch ungesünder aussehen ließ. »Es sah so … so ungebührlich aus, wie er dalag.«
    »Ungebührlich?« Bandolf hob fragend die Brauen.
    »Sein Gemächt«, hilflos zuckte der Priester mit den Schultern. »Sein Gemächt lag bloß.«
    Osbert gluckste, und Wipert presste missbilligend seine dünnen Lippen aufeinander. Prosperius bekam kugelrunde Augen. »Wollt Ihr damit sagen, Ludger hätte vor seinem Tod bei einem Weib gelegen?«, platzte er heraus. »Und wäre dabei … also währenddessen …?« Vor Aufregung geriet er ins Stammeln.
    »Natürlich nicht«, wies Emeram seine Vermutung streng von sich. »Vielleicht ist sein Latz verrutscht, während er sich seines Angreifers erwehrt hat.«
    Bandolf schwieg und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Wenn Prosperius Recht hatte und Ludger mit einem Weib beisammengelegen hätte, dann gäbe es vielleicht eine Zeugin. Oder aber es könnte die Frau gewesen sein, die ihn ermordet hatte. Bandolf schüttelte den Kopf. Zu früh, um sich an Spekulationen zu versuchen. Er packte den Toten an der Schulter und drehte ihn um. Die Vergänglichkeit des Menschen grinste ihm wie der rote Schlund eines Dämons entgegen, und für einen Augenblick durchzuckte Bandolf der erschreckende Gedanke an seine eigene Sterblichkeit. Vielleicht lag es an Ludgers Jugend, der Bandolf sich immer noch näher fühlte als der zerfurchten Lebensneige des Gerbers, dass ihn dieser Tod betroffener machte. Ludgers

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