Die Verschwoerung der Fuersten
wirkte verlebter. Tiefe Falten hatten sich um seine Mundwinkel gegraben, und schwere Tränensäcke hingen unter seinen Augen. Dennoch war es ein einnehmendes Gesicht, das den Frauen wohl gefallen mochte. Er war aufwendig gekleidet. An seinem Gürtel prangte eine große, runde Schnalle aus getriebenem Silber, und anstelle von Bändern war sein reich besticktes Hemd mit einer kostbaren Spange am Hals geschlossen. »Wenn ich den Kämmerer richtig verstanden habe, dann wurde mein Neffe von einem gemeinen Dieb ermordet und ausgeraubt. Ich wüsste nicht, wie wir Euch bei der Suche nach solchem Geschmeiß helfen sollten?«
Hemmungsloses Schluchzen unterbrach seine Worte. Fastrada, Ludgers Ehefrau, hatte ihren Kopf in der Armbeuge vergraben, und ihre mageren Schultern bebten. Garsendes Bemühungen, sie zu beschwichtigen, schienen nicht von Erfolg gekrönt.
»Nehmt Euch doch zusammen, Fastrada«, sagte Elgard scharf, und die schluchzende Frau zuckte zusammen. Sie hob ihr bleiches Gesicht, stieß den Becher, den die Heilerin ihr bereithielt, heftig weg und schnäuzte in ihren Ärmel. Dann warf sie Ludgers Mutter aus rot verquollenen Augen einen zornigen Blick zu. »Warum habt Ihr wohl keine Tränen für Euren ältesten Sohn?«, fragte sie herausfordernd.
Elgard bedachte ihre Schwiegertochter mit einem kühlen Blick. »Die Witwe«, fügte sie, an Bandolf gewandt, hinzu.
Über Garsendes Kopf hinweg, die sich still zurückgelehnt hatte und die Anwesenden aufmerksam zu betrachten schien, deutete Elgard auf die junge Frau, die neben der Heilerin auf der Bank saß.
»Und das ist Richenza von Montclair, die meinem Sohn
Detmar versprochen ist«, begann sie, ihm die übrigen Versammelten vorzustellen.
Pusteln verunzierten das blasse, hagere Gesicht des jungen Weibes, und Tränenspuren glänzten unter ihren Augen. Sie hatte dünnes, hellblondes Haar und eine lange, schnabelartige Nase. Mit fest aufeinandergepressten Lippen musterte Richenza den Burggrafen und warf ihm feindselige Blicke zu.
Gegenüber den drei Frauen lümmelte ein groß gewachsener junger Mann am Tisch: Rainald von Dachenrod, der in Kürze mit Adeline, der Tochter des Hauses, den Bund der Ehe schließen sollte. Wie Sigurt trug er ein Hemd und Beinlinge aus feinem Leinen, und um die Hüfte vervollständigte ein breiter Gürtel mit verschnörkelter Schnalle seine Aufmachung. Trotz seiner Jugend begann sein rotbraunes Haar bereits schütter zu werden. Seine grob geschnittenen Züge hatten eine Farbe, die Bandolf an ungebackenes Brot erinnerte, und er trug einen gelangweilten Ausdruck zur Schau. Neben ihm saß seine Verlobte. Adeline, ein hübsches Mädchen mit aufgeweckten braunen Augen, schenkte dem Burggrafen ein Lächeln.
Rainalds Schwester, Hermia von Dachenrod, hatte den Kopf gesenkt, und ihr goldblond gelocktes Haar fiel wie ein Schleier über ihre zarten Schultern. Als ihr Name fiel, wandte sie dem Burggrafen ein herzförmiges Gesicht zu, aber die tiefblauen Augen schauten an ihm vorbei. Hektische rote Flecken überzogen ihre makellose Haut, und ihr schön geschwungener Mund zuckte unruhig. Bandolf fragte sich, wie so ein ungeschlachter Mensch wie Rainald ein so schönes Mädchen zur Schwester haben konnte.
Als Letzte stellte Elgard Teudeline, die Tante der Dachenroder Geschwister vor. Die schmächtige alte Dame saß kerzengerade auf der Bank und erwiderte Bandolfs Gruß mit einem messerscharfen Blick.
»Sollte Detmar nicht auch hier sein?«, fragte Bandolf.
Elgard zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Er ist unterwegs in Geschäften«, erwiderte sie knapp.
»Welche Geschäfte? Und wann wird er wieder zurück sein?«
»Geht das nicht eine Spur zu weit, Burggraf? Was haben denn die Geschäfte meines Neffen mit dieser unleidigen Sache zu tun?«, fragte Sigurt ungehalten.
»Lasst gut sein, Bruder«, sagte Elgard leise und legte ihm leicht ihre Hand auf die Schulter. »Der Burggraf wird Gründe haben, warum er solche Fragen stellt.« An Bandolf gewandt, antwortete sie: »Detmar sieht bei unserem Gutshof bei Eich nach dem Rechten. Er ist heute kurz vor der Laudes aufgebrochen. Als wir erfuhren, was geschehen ist, schickte Sigurt einen Boten hinter ihm her, aber es wird wohl Morgen werden, bevor mein Sohn wieder zurückkommt.«
Bandolf nickte und merkte sich vor, Ludgers Bruder am nächsten Tag zu befragen. Dann räusperte er sich. »Wie hat Ludger den gestrigen Tag verbracht?«, fragte er und schaute in die Runde. »Mit wem hat er gesprochen, und wer hat
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