Die Verschwoerung der Fuersten
einnehmendes Gesicht mit der hohen Stirn, der wohlgeformten Nase und den geschwungenen Lippen war bis auf ein paar Blutspritzer unversehrt. Der Hals jedoch war eine einzige klaffende Wunde.
Der Schatten einer dunklen Regenwolke, die sich plötzlich vor die Sonne geschoben hatte, huschte über den Kirchhof
und schien das Licht, das noch zuvor zwischen den Gräbern getanzt hatte, zu verschlingen. Ein dicker Regentropfen fiel auf Bandolfs Hand, ein weiterer auf die fahle Stirn des Toten. Unfreiwillig fasziniert sah der Burggraf zu, wie der Tropfen sich mit einem Spritzer getrockneten Bluts vermischte und die rötliche Flüssigkeit in Ludgers Auge rann, das nicht mehr blinzeln konnte. Es fielen nur einige Regentropfen, dann zog die Wolke weiter und gab das Morgenlicht wieder frei.
Bandolf atmete hörbar auf, und Prosperius‘Würgen im Hintergrund riss ihn vollends aus seinen melancholischen Betrachtungen.
»Da hat jemand aber ganze Arbeit geleistet«, bemerkte Osbert, der Cellerar.
»Wohl wahr.« Der Burggraf beugte sich tiefer hinunter, um die Wunde genauer in Augenschein zu nehmen. Es war nicht das erste Mal, dass er einen Toten sah, dem man die Kehle durchgeschnitten hatte. Aber an dieser Wunde machte ihn etwas stutzig. Sie war unsauber und breit, als hätte der Angreifer mehrere Anläufe gebraucht, um sein Werk zu vollenden. Bandolfs Blick glitt weiter über das blutbesudelte Hemd und die beschmutzten Beinlinge des Toten. Der Latz des Mannes war verrutscht, wie der Priester gesagt hatte, und die bläulich grauen Genitalien, die schlaff im Schritt ruhten, boten mehr einen traurigen als obszönen Anblick. Doch ob Ludger sich selbst entblößt hatte oder ob der Latz infolge eines Kampfes verrutscht war, konnte Bandolf nicht feststellen. Vielleicht hatte der Mann nur Wasser gelassen, als er überfallen wurde? Das Band, mit dem der Latz um seine Hüfte gebunden war, saß jedenfalls noch an seinem Platz. Auch Hemd und Beinlinge waren zwar verschmutzt, schienen ansonsten jedoch unversehrt, und nur die Innentasche in seinem Hemd wies einen kleinen Riss auf und war leer. Mit leichtem Widerwillen nahm Bandolf
eine Hand des Toten, die schon steif zu werden begann. Am Ringfinger und am Zeigefinger fanden sich schmale Streifen, die blasser waren als die übrige Haut. Ein Hinweis, dass er Ringe getragen hatte, die nun fehlten. Die Handinnenflächen zeigten Schwielen und Hornhaut, wie es bei einem Mann zu erwarten war, der seit seiner Kindheit im Umgang mit Schwert und Pferd geübt war. Bandolf wollte die Hand schon loslassen, als ihm auf den Handballen eine weiße Färbung auffiel. Stirnrunzelnd fuhr er mit dem Finger darüber. Das Weiß war pulvrig und leicht abzuwischen. Bandolf zerrieb die Farbe nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger.
»So etwas habe ich doch schon irgendwo gesehen«, sagte er, aber es wollte ihm nicht einfallen. Schließlich warf er noch einen letzten Blick auf die Leiche und stand ächzend auf.
Zwei Ermordete und ein missglückter Überfall, und das innerhalb von wenigen Tagen. Zustände wie in Köln, dachte er missmutig und rieb sich den schmerzenden Rücken. Er bemerkte, dass vier Augenpaare neugierig und erwartungsvoll auf ihn gerichtet waren, und seufzte.
»Könnt Ihr den Toten in Euer Beinhaus schaffen lassen, bis ich die Familie verständigt habe?«, wandte er sich an Emeram.
Der Priester nickte. »Ich werde den Mann ein wenig herrichten lassen, damit der Anblick für seine Angehörigen nicht ganz so schlimm werden wird. Besonders für die arme Fastrada.« Leise setzte er hinzu: »Nun ist ihre letzte Hoffnung dahin.«
»Was meint Ihr damit?«, wollte der Burggraf wissen, doch der Priester zuckte nur mit den Schultern.
KAPITEL 7
Ein Streit zwischen Leuten des Grafen von Laufen und dem Gefolge des Herzogs von Bayern war zu einer Prügelei vor dem Martinstor ausgeartet, und der damit hoffnungslos überforderte Torwächter hatte den Burggrafen zu Hilfe rufen lassen. Es hatte geraume Zeit gedauert, die Zankhähne zu beschwichtigen, und nun läuteten die Glocken schon zur Sext, als Bandolf, um einiges später als beabsichtigt, vor Ludger von Blochens Heim eintraf. Der Stammsitz der Familie lag irgendwo im Nahetal, aber sie hatten auch Land und Güter in der Umgebung von Worms. Wie andere von Stand besaß die Familie von Blochen außerdem ein Anwesen innerhalb der Stadt und nahm zu besonderen Anlässen wie Ostern oder Weihnachten, zu Gerichts- und Hoftagen, hier ihren Aufenthalt. Der Hof lag
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