Die Verschwoerung der Fuersten
abgesehen davon war ihr Gesicht unter einem Tuch verborgen.«
Bandolf ging darüber hinweg. »Habt Ihr sie denn gesehen, bevor oder nachdem Ihr Rainald von Dachenrod begegnet seid?«
»Kurz davor, würde ich meinen. Ich sah sie über den Pfalzhof in Richtung der Diebsgasse huschen.«
»Nach Eurem Besuch beim Bischof habt Ihr also zuerst die Frau und kurze Zeit später Rainald von Dachenrod auf dem Pfalzhof gesehen?«, vergewisserte sich Bandolf.
Pothinus nickte.
»Und was hatte es mit dem Tuch auf sich?«, fragte der Burggraf hastig weiter. »Welche Farbe hatte es? War es blau?«
»Welches Tuch?«
»Das Tuch, unter dem sie ihr Gesicht versteckt hatte«, sagte Bandolf geduldig. Er holte den Wollfetzen aus seiner Tasche hervor und zeigte ihn dem Kämmerer. »War es diese Farbe?«
Pothinus warf einen kurzen Blick darauf. »Vielleicht.« Er zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Herrje, woher soll ich das wissen? Es war schon dunkel. Ich konnte die Farbe nicht erkennen. Das Tuch war dunkel, aber ob es von derselben Farbe war, das weiß ich nicht.«
Bandolf steckte den Wollfetzen wieder ein und zog die Perlenkette aus Elfenbein hervor, die Ludger in seinem Schuh versteckt hatte.
»Habt Ihr das schon einmal gesehen?«, wollte er vom Kämmerer wissen.
Pothinus sog scharf den Atem ein. »Woher habt Ihr das?«
»Ihr scheint die Kette zu kennen?«, bemerkte Bandolf, ohne die Frage zu beantworten.
»Ich wüsste nicht, dass mir ein solches Band schon einmal untergekommen ist«, versicherte Pothinus schnell und stieß energisch die Tür auf. »Aber jetzt habe ich keine Zeit mehr für Eure sinnlose Fragerei, Burggraf. Ihr habt mich lange genug aufgehalten.«
Erst nachdem der Kämmerer gegangen war, fiel Bandolf ein, dass Pothinus nicht gesagt hatte, was er selbst nach seinem Besuch beim Bischof auf dem Pfalzhof gewollt hatte, als ihm das mysteriöse Weib und Rainald von Dachenrod über den Weg gelaufen waren. Der kürzeste Weg vom Bischof ins Kapitelhaus führte durch den Dom. Sowohl die Bischofspfalz als auch das Kapitelhaus besaßen eine Pforte,
die die Gebäude mit dem Gotteshaus verbanden. Um von einem Ort zum anderen zu gelangen, hätte Pothinus nicht ins Freie gemusst. Und hätte er an diesem Abend nur frische Luft schnappen wollen, dann wäre der Weg über den Domplatz zum Kapitelhaus der naheliegende gewesen und nicht der Pfalzhof.
Bandolf war keine Zeit vergönnt, lange über das nachzudenken, was er vom Kämmerer erfahren hatte. Ein Bote aus dem Haus von Blochen sprach bei ihm vor und erklärte, Herr Detmar sei aus Eich zurückgekehrt und wünsche ihn zu sprechen. Noch bevor der Burggraf der schon erwarteten Aufforderung nachkommen konnte, stürzte Bruder Goswin mit glänzenden Augen in Bandolfs Halle. Der Scholasticus des Domstifts verkündete aufgeregt, die Kopie der Handschrift des Dares Phrygius, auf die sie so lange gewartet hätten, sei nun endlich eingetroffen.
»Goswin«, rief Bandolf erfreut. »Ihr seid heute der erste Lichtblick in meiner Halle.« Eilends bat er den Scholasticus an seinen Tisch und brüllte nach Filiberta um frisches Brot und den guten Roten. »Euer Dekan ist schon da gewesen, und anschließend beglückte mich auch noch der Kämmerer mit seinem Besuch. Angeblich wollte er sich nach meinen Fortschritten erkundigen.«
Bruder Goswin zwinkerte und schob seine magere Gestalt auf die Bank. »Pothinus lässt keine Gelegenheit aus, um sich vor dem Bischof großzutun«, lächelte er und richtete seine klugen Augen auf den Burggrafen. »Wenn er nicht aufpasst, wird er sich am Ende noch eine neue Robe leisten müssen, weil seine alte von all den Kniefällen durchgescheuert sein wird. Doch was hat Folbert von Euch gewollt?«
Bandolf grinste. »Wie ich hörte, bewirbt sich auch der Dekan um die Propstei, also werden die Gründe für seinen Besuch wohl dieselben gewesen sein wie die des Kämmerers, vermute ich.«
Goswin, der jegliche Nahrungsaufnahme für eine lästige Pflicht hielt, stopfte das gute Brot, das Filiberta auf den Tisch gestellt hatte, hastig in sich hinein. Es war schwer zu bestimmen, wie alt er war, denn er hatte eine glatte Haut und schmale Gesichtszüge. Die Strenge der hohen Stirn und der scharfen Wangenknochen wurde durch seine kleine Knubbelnase und das Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte, abgemildert. Sein blonder Haarkranz stand drahtig von seinem Kopf ab, und die unordentlich an ihm herabhängende Robe vermittelte stets den Eindruck, als sei er in
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