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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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friedliche Visionen verhöhnen, zogen sie mit Piken und Dreschflegeln über Land, plünderten und zerstörten. Je nördlicher die Gefährten kamen, die jetzt wieder nebeneinander ritten, desto schlimmer wurde es. Sie begegneten bettelnden, verelendeten Mönchen, die aus ihren Klöstern vertrieben worden waren. Es waren zerlumpte, erbarmungswürdige Gestalten, die jede Würde verloren hatten.
    Die Dörfer waren verlassen, die Gehöfte ausgeplündert, das übrig gebliebene Vieh verendete in den Ställen. Und am Rand so manches ausgestorbenen Weilers schaukelten an Bäumen Gehenkte im Wind, Opfer von Selbstjustiz und Verblendung. Im königlosen Frankreich schien es tatsächlich keine Staatsgewalt mehr zu geben.
    Mit jedem Tag wurde die Stimmung unter den Gefährten schlechter. Henri spürte den Vorwurf Uthmans und Joshuas. Und er fragte sich mit jedem Tag dringender, ob er an seinem Plan festhalten konnte, wenn er offenbar sinnlos war. Er sah doch mit eigenen Augen, dass es in Frankreich Recht und Gesetz nicht mehr gab.
    Wer sollte Ferrand de Tours den Prozess machen?
    Bevor sie den Fluss Hérault im Tal der Garrigues erreichten, ritten sie oberhalb des Flusstals auf einem Pfad, zu dessen rechter Seite der Berg jäh in die Ebene abfiel. Als sie am Abend rasteten, um für den beschwerlichen Abstieg am nächsten Morgen Kräfte zu sammeln, bemerkte Henri, der zwei Fasane für das Abendessen erlegt hatte, wie einer der jungen Sarazenen zum Gefangenen trat und ihn an den Felsenrand trieb.
    »Was machst du da?«, rief Henri.
    Ferrand kreischte: »Nein, nein!«
    Und der Sarazene, der schon zu einem Stoß ausgeholt hatte, griff jetzt nach dem Franzosen, als wolle er ihn festhalten und beschützen.
    »Er wollte fliehen!«, sagte der Junge. »Ich konnte ihn gerade noch rechtzeitig halten.«
    »Er lügt! Er ist gefährlich!«, schrie Ferrand. »Er wollte mich hinunterstürzen.«
    »Du wolltest ihn töten«, erklärte Henri ruhig. Er bemerkte Uthmans unglückliches Gesicht. Auch Joshua blickte verkniffen. »Antworte!«
    »Nein, Herr! Das stimmt nicht! Es ist nur…!«
    »Schweig!«, fuhr ihn Henri an. »Du wolltest dich meinen Anweisungen widersetzen, gib es zu! Du hättest ihn kaltblütig ermordet! War es Uthman, der dich aufhetzte?«
    »Ach, Herr…!«
    »Uthman? Warum tust du es dann nicht wenigstens selbst!«
    »Henri! Sieh endlich ein, dass du dich in etwas verrannt hast! Überlassen wir Ferrand einfach seinem Schicksal, er hat es verdient! Ohne ihn sind wir frei. Dann können wir endlich darangehen, unseren gemeinsamen Feinden das Leben schwer zu machen. Mit ihm wanken wir von einer Gefahr in die nächste. Henri! Komm zur Vernunft!«
    »Erinnere dich an Ferrands Gehilfen in Toledo«, sagte Joshua, »der das Pergament fälschte, mit dem er den angeblichen Mord von Juden an Christen in die Welt setzen wollte. Du selbst hast ihn eine Ratte genannt, Henri! Damals warst du noch bei klarem Verstand. Ferrand selbst ist eine elende Ratte. Was geht er uns an? Von seiner Sorte gibt es Dutzende! Wird er verurteilt, stehen die anderen schon bereit.«
    Die beiden jungen Sarazenen traten plötzlich nahe an Henri heran. Ihre Gesichter waren regungslos. Nicht offen, nicht verschlagen. Sie drückten nichts aus als Kälte. Einer sagte: »Wir werfen ihn einfach über die Felsen in die Tiefe. Die Bartgeier kümmern sich dann um ihn. Er hat diese Strafe verdient, Herr, und wir sind den Ballast los! Er ist doch nur ein Hindernis für uns!«
    Henri zog das Kurzschwert, trat einen Schritt zurück und richtete es auf die beiden jungen Männer.
    »Wagt es nicht, Hand an Ferrand zu legen. Er ist mein Todfeind, das ist wahr. Aber gerade deshalb werde ich dafür sorgen, dass er unversehrt nach Avignon kommt! Wenn ihr meinen Anweisungen nicht folgen wollt, dann halte ich euch nicht auf zu gehen. Verlasst uns, kehrt nach Toledo zurück!«
    »Nein, Herr!«
    »Das heißt, ihr fügt euch bedingungslos meinen Anweisungen?«
    »Ja, Herr!«
    »Reiten wir weiter.«
    Der Fluss Hérault führte nach Nordosten. Die Reiter folgten seinem seichten Verlauf, bis sie nach Gignac, westlich von Montpellier, kamen. Hier verließen sie das Flusstal. Der Weg führte jetzt in Richtung Nimes. In wenigen Tagen würden sie den mächtigen Strom Rhone sehen. Langsam kamen sie in jene Landschaften, mit denen Henri, Uthman und Joshua die schmerzlichen Erinnerungen an Verfolgung und Tod teilten. Und es war so, als verhielten ihre Reittiere mit jedem Tag mehr das Tempo der Reise.
    Aber

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