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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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von Liebe ganz zu schweigen, war kratzbürstig, in fast allen Dingen, auf die es ankam, verbohrt und wollte unbedingt weiterhin im Hause Pitt das Dienstmädchen spielen! Bei der bloßen Vorstellung, einem anderen Menschen zu dienen, knirschte er mit den Zähnen. Es klang wie ein Messer, das über Glas kratzte.
    »Sie sind ja dumm!«, rief er erneut und schwang seinen Arm herum, als wolle er etwas am Boden zerschmettern, nur dass er nichts hatte, was er werfen konnte. »Denken Sie eigentlich nie über das nach, was Sie tun?«
    Jetzt war auch sie wütend. Zuvor hatte sie Angst gehabt, aber er hatte sie gekränkt, und sie war nicht bereit, das auf sich sitzen zu lassen.
    »Nun, immerhin hab ich rausgekriegt, was Remus wollte, das is mehr wie Sie!«, schrie sie zurück. »Wenn ich dumm bin, was sind dann Sie, he? Und wenn Sie zu wütend sind, um zu begreifen, was ich Ihnen grad gesagt hab, und es zu benutzen, um Mr. Pitt zu helfen, muss ich es eben alleine machen! Ich weiß nich, wie, aber ich mach’s! Ich geh noch mal zu Remus und sag ihm ins Gesicht, was ich von ihm weiß, und wenn er mir dann nix sagt – «
    »Das tun Sie nicht!« Er packte sie an den Handgelenken, als sie sich zum Gehen wandte, wobei sie fast eine üppige Frau in einem gestreiften Kleid umgerannt hätte.
    »Lassen Sie mich los!« Gracie versuchte sich freizumachen, doch Tellman hielt sie fest, und er war deutlich stärker als sie. Sie beugte sich vor und biss ihn mit aller Kraft in die Hand.
    Er schrie vor Schmerz auf und ließ sie los. »Kleines Biest!«
    Etwas vor sich hin brummelnd, eilte die füllige Frau weiter.
    »Behalten Sie Ihre Hände bei sich!«, schrie Gracie ihn an. »Und spar’n Sie es sich, mir zu sagen, was ich tun soll und was nich! Ich gehör kei’m und mach, was ich will! Mir is egal, ob Sie mir und Mr. Pitt helfen oder hier rumsteh’n und mich beschimpfen!
Wir kriegen die Wahrheit raus, und wir hol’n ihn zurück – Sie wer’n ’s schon seh’n!« Bei diesen Worten wandte sie sich mit wehenden Röcken ab und eilte davon.
    Tellman wollte ihr folgen, blieb dann aber stehen. Seine Hand schmerzte. Unwillkürlich hob er sie an den Mund und leckte die Wunde. Er hatte keine Ahnung, was er Gracie sagen könnte. Er fühlte sich wie zermalmt. Er wollte Pitt helfen, weil es sich so gehörte, aber auch um Gracies willen. Sie würde ihm vertrauen müssen, und er würde sich dieses Vertrauens mehr als würdig erweisen.
    Aber er machte sich schreckliche Sorgen um sie, und das war ein neues und entsetzliches Gefühl. Er empfand eine kalte Angst wie noch nie im Leben, und sie ließ sein Inneres förmlich erstarren.
    Ein Dutzend Schritte von ihm entfernt blieb Gracie stehen und wandte sich ihm erneut zu.
    »Woll’n Se wirklich wie’n verdammter Laternenmast da in der Landschaft rumsteh’n?«, fragte sie.
    Er ging zu ihr hin. »Diesen Remus kauf ich mir!«, sagte er mit Nachdruck. »Und Sie gehen zurück in die Keppel Street, bevor Mrs. Pitt Sie auf die Straße setzt, weil Sie Ihre Arbeit nicht tun. Vermutlich ist Ihnen noch gar nicht der Gedanke gekommen, dass sie sich um Sie zu Tode sorgt – als ob sie nicht schon genug Kummer hätte!« Er projizierte seine eigenen Empfindungen auf Charlotte. »Wahrscheinlich liegt sie die halbe Nacht wach und malt sich aus, was für grässliche Dinge Ihnen passieren. Sie ist allein, weiß nicht ein noch aus, da müssten Sie ihr eigentlich beistehen.«
    Sie sah ihn an und wog ihre Worte ab. »Sie gehen wirklich zu Remus?«, fragte sie.
    »Sind Sie taub? Das habe ich gerade gesagt.«
    Sie zog die Nase hoch. »In dem Fall hab ich Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Ich geh nach Haus un mach Abendessen … vielleicht back ich auch ’nen Kuchen.« Achselzuckend wollte sie davongehen.
    »Gracie?«
    »Ja?«
    »Sie haben das sehr gut gemacht … ehrlich gesagt war das
sogar großartig. Aber wenn Sie so etwas noch einmal tun, versohle ich Ihnen den Hintern so gründlich, dass Sie eine ganze Woche lang im Stehen essen müssen! Haben Sie mich verstanden?«
    Sie lächelte ihm breit zu und ging dann endgültig.
    Entgegen seiner Absicht musste auch er lächeln. Mit einem Mal empfand er neben der Angst eine Freude, einen wilden heißen Schmerz, den er nie zu verlieren wünschte.
     
    Tellman dachte keinen Augenblick lang daran, sich am Blumenmarkt länger um den Verbleib der gestohlenen Gegenstände zu kümmern. Es war noch früh. Falls er sofort aufbrach, war es möglich, dass er Remus antraf, ihn mit seinem

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