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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zu lassen.
    Sie sah einen Omnibus in Richtung Westen. Schreiend rannte sie auf die Fahrbahn, sodass die Pferde scheuten und der Kutscher laut fluchte. Es war ihr gleichgültig. Ohne auf sein Gezeter zu achten, stieg sie ein und ließ sich erschöpft auf den ersten freien Sitz fallen.
    »Man könnte glauben, der Teufel ist hinter dir her«, sagte ein Mann mit belustigtem Lächeln. Er meinte es freundlich.
    Für einen Scherz war das zu nahe an der Wahrheit. »Ja …«, sagte sie mit belegter Stimme, »… genau so ist es.«
    Schließlich erreichte sie das Haus in der Keppel Street, wo Charlotte mit bleichem Gesicht und müden Augen in der Küche auf und ab schritt. Es war nach elf Uhr.
    »Wo warst du?«, fragte sie aufgebracht. »Ich hab mir
schreckliche Sorgen gemacht. Wie entsetzlich du aussiehst! Was ist passiert?«
    Gracie war so erleichtert, in der Sicherheit, Wärme und Helligkeit der vertrauten Küche mit ihrem Geruch nach sauberem Holz und frischer Wäsche, nach Brot und Kräutern zu sein, zu wissen, dass sich Charlotte um sie sorgte, dass sie in Tränen ausbrach und hemmungslos schluchzte, während Charlotte sie tröstend in die Arme schloss.
    Am nächsten Morgen würde sie ihrer Herrin sagen, was sie tagsüber getan hatte, allerdings sorgfältig zurechtgestutzt, und für ihre Lüge um Entschuldigung bitten.

Kapitel 9
    T ellman bemühte sich, nicht an Gracie zu denken. Es war schwierig. Immer, wenn er sich einen Augenblick der Entspannung gönnte, trat ihr fröhliches Gesicht vor sein inneres Auge. Da Wetron nur darauf wartete, ihn bei einem Fehler zu ertappen, und wäre er noch so klein, betrieb er seine Ermittlungen zu den verfluchten Einbruchsdiebstählen so intensiv wie möglich. Er konnte es sich nicht leisten, auch nur bei der geringsten Ungenauigkeit ertappt zu werden.
    Da ihm das Glück des Tüchtigen hold war, hatte er die Freude zu sehen, dass das Ende des Falles in Sichtweite war.
    Auch an Pitt dachte er öfter, als er eigentlich wollte, und zwar voll Unbehagen und Schuldgefühl. Es lag auf der Hand, warum man ihn nach Spitalfields verbannt hatte. Es war lächerlich, anzunehmen, dass seine Anwesenheit dort im Kampf gegen Anarchisten das Geringste bewirkte. Dabei handelte es sich um eine spezialisierte Aufgabe, und der Sicherheitsdienst verfügte über Männer, die dazu bestens imstande waren. Cornwallis mochte in seiner Abkommandierung einen Versuch erkennen, Pitt vor weiteren Gefahren zu bewahren, doch diejenigen, die dafür verantwortlich waren, sahen es wohl als Strafe dafür an, dass er die Geschworenen von Adinetts Schuld überzeugt hatte.
    Nach wie vor war er verwundbar, denn er konnte nicht den geringsten Hinweis darauf liefern, welches Motiv Adinett gehabt haben könnte, Fetters zu ermorden. Aus diesem Grund
fühlte sich Tellman schuldig, denn obwohl es ihm als Polizeibeamten möglich war, der Wahrheit nachzuspüren, hatte er bisher lediglich in Erfahrung gebracht, dass sich Adinett über irgendetwas im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Cleveland Street erregt hatte, die sich unendlich weit zu verzweigen schienen. Bisher hatte Tellman so gut wie nichts von diesem Hintergrund begriffen.
    Während er einige Nebenstraßen von der Wache in der Bow Street entfernt in der Nähe des Blumenmarktes Ausschau nach den Hehlern hielt, von denen er wusste, dass sie ebenfalls dort tätig waren, merkte er, dass jemand neben ihn getreten war und ihn ansah.
    Gracie!
    Seine erste Reaktion war unverhohlene Freude. Als er dann sah, wie bleich sie war und wie unsicher sie dastand, was ganz und gar nicht ihrem Wesen entsprach, sank sein Herz. Er trat zu ihr.
    »Was gibt es?«, fragte er eindringlich. »Was tun Sie hier?«
    »’nen Strauß Blumen kaufen, was glauben Sie denn? Ich wollte zu Ihnen«, gab sie zurück. Der Klang ihrer Stimme beunruhigte ihn. Jetzt war er sicher, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.
    »Geht es um Mr. Pitt? Haben Sie etwas von ihm gehört?« Das war sein erster Gedanke. Er hatte Charlotte seit Pitts Weggang vor über einem Monat kaum gesehen. Vielleicht hätte er mit ihr reden sollen? Aber das wäre aufdringlich gewesen, sogar unverschämt, und außerdem – was hätte er sagen können? Immerhin war sie eine richtige Dame.
    Sie erwartete von ihm, dass er die Wahrheit herausbekam und nachwies, dass Pitt Recht gehabt hatte, damit man ihn in der Bow Street wieder in Amt und Würden einsetzte, denn das war der Platz, an den er gehörte. Dabei hatte er kläglich

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