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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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erkennen, welchen Kampf es sie kostete, ihre Angst niederzuhalten. Sie musste die Wahrheit wissen, weil ihre Albträume sonst eine eigene Wahrheit hervorbringen würden – andererseits konnte sie hoffen, solange sie nichts genau wusste.
    »Wem hätte er denn vertraut?«, fragte Charlotte. »Wer könnte diese Papiere für ihn aufbewahrt haben?«
    »Sein Verleger!«, sagte Juno mit plötzlicher Erregung. »Thorold Dismore! Er ist ein glühender Befürworter der Republik und verhehlt das so wenig, dass man ihn wegen seiner Offenheit für ungefährlich hält. Aber es ist ihm ernst damit, und er ist
nicht annähernd so blind oder exzentrisch, wie manche glauben. Bestimmt hat Martin ihm getraut, weil er wusste, dass sie dieselben Ideale hatten und auch Dismore den Mut hat, für seine Überzeugungen einzutreten.«
    Charlotte zögerte. »Könnten Sie hingehen und ihn um die Papiere Ihres Mannes bitten, oder ist er als der Verleger deren Eigentümer?«
    »Das weiß ich nicht«, gab Juno zu und stand auf. »Aber ich will es gern versuchen. Ich werde ihn bitten, ihm drohen oder was mir sonst noch einfällt. Wollen Sie sozusagen als Anstandsdame mitkommen?«
    Charlotte ergriff die Gelegenheit beim Schopf. »Gern!«
     
    Bei Thorold Dismore vorgelassen zu werden war nicht einfach, und sie mussten eine geschlagene Dreiviertelstunde in einem zwar elegant eingerichteten, aber ungemütlichen Vorzimmer warten. Diese Zeit nutzten sie, um zu überlegen, was Juno sagen konnte. Als sie schließlich in Dismores erstaunlich spartanisch eingerichtetes Arbeitszimmer geführt wurden, war sie bereit.
    Schwarz stand Juno glänzend. Sie sah weit eindrucksvoller aus als Charlotte, die auf einen solchen Besuch nicht eingestellt und in schlichtem Lindgrün gekommen war.
    Dismore trat höflich auf seine Besucherinnen zu. Wie auch immer seine politischen Überzeugungen oder seine Vorstellungen von der richtigen Gesellschaftsform für das Land aussehen mochten, er war ein Herr vom Scheitel bis zur Sohle. Er stammte sogar aus einer Adelsfamilie, legte aber keinen großen Wert auf diese Abkunft.
    »Guten Morgen, Mrs. Fetters. Treten Sie bitte näher, und nehmen Sie Platz.« Er wies auf einen Sessel und wandte sich dann an Charlotte.
    »Mrs. Pitt begleitet mich«, stellte Juno vor. Eine weitere Erläuterung war nicht nötig.
    Dismore begrüßte auch Charlotte und sah sie dabei interessiert an. Sie überlegte, ob er sich von der Verhandlung her an den Namen erinnerte oder ob das Interesse ihrer Person galt. Sie vermutete Ersteres, obwohl sie das plötzliche Aufblitzen in
den Augen von Männern auch früher schon wahrgenommen hatte.
    Sie erwiderte den Gruß und setzte sich auf den ihr angebotenen Sessel neben Juno.
    Nachdem eine Erfrischung angeboten und von den Damen abgelehnt worden war, wandte sich das Gespräch ganz natürlich dem Zweck ihres Besuches zu.
    »Mr. Dismore, ich habe mir die Briefe und Aufzeichnungen meines Mannes noch einmal vorgenommen«, sagte Juno mit einem Lächeln. In ihrer Stimme schwang Wärme mit.
    Er nickte. Nichts konnte natürlicher sein.
    »Dabei ist mir aufgefallen, dass er bei Ihnen mehrere Aufsätze zum Thema der Gesellschaftsreform herausbringen wollte, an der ihm so sehr lag …«
    Ein Anflug von Schmerz trat in Dismores Augen; es war mehr als bloßes Mitgefühl, auf jeden Fall mehr, als die Höflichkeit gebot. Charlotte hätte schwören können, dass er es ernst meinte. Aber hier ging es um weit tiefer reichende und umwälzendere Dinge als Freundschaft, wie lang oder angenehm sie auch gewesen sein mochte. Für diese Männer war das eine Art Krieg, und auf dem Altar des entscheidenden Sieges opferte man sogar Kameraden.
    Aufmerksam betrachtete sie Dismores Gesicht, während er zuhörte, wie Juno über die Notizen sprach, die sie gefunden hatte. Er unterbrach sie nicht, wirkte sehr interessiert und nickte ein- oder zweimal.
    »Sind Sie im Besitz all dieser Notizen, Mrs. Fetters?«, fragte er, als sie geendet hatte.
    »Genau deswegen bin ich gekommen«, sagte sie. »Es sieht ganz so aus, als ob wichtige Teile fehlten, vor allem Verweise auf andere Arbeiten …« Sie holte tief Luft und zögerte, als wolle sie sich an Charlotte wenden, gab aber dem Impuls nicht nach. »… Verweise auf Personen und Äußerungen, die meiner Ansicht nach von wesentlicher Bedeutung sind, wenn man den Sinn des Ganzen erfassen soll.«
    »Ja?« Er saß unnatürlich still.
    »Ich habe mir überlegt, ob sich vielleicht bei Ihnen Papiere, Dokumente

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