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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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den sie Anspruch hatte, als wären sie bloße Bekannte. Doch seine Stimme war sanft und liebkoste die Silben. Immerhin war es ein römischer Name, den sie trug, hatte er damals scherzend gesagt.
    Sollte sie ihm ebenso korrekt antworten? Nach all dem, was sie miteinander an Hoffnungen, Leidenschaft und Tragödie erlebt hatten, kam es ihr vor, als würde sie damit etwas verleugnen. Niemand konnte sie hören.
    »Mario …« Es war seltsam, seinen Namen wieder zu sagen. Das letzte Mal hatte sie ihn mit tränenerstickter Stimme und nassen Wangen in der Dunkelheit geflüstert. Die Truppen des
französischen Kaisers waren in Rom einmarschiert, Mazzini hatte sich ergeben, um das Volk zu retten. Garibaldi war nach Norden gezogen, Venedig zu, seine schwangere Frau kämpfte in Männerkleidern an seiner Seite, trug ein Gewehr wie jeder andere. Der Papst war zurückgekehrt und hatte alle Reformen rückgängig gemacht, mit einer einzigen Handbewegung Schuld, Freiheit und auch die Seele ausgelöscht.
    All das lag in der fernen Vergangenheit. Italien war inzwischen geeint; wenigstens das war erreicht worden.
    Er suchte in ihren Augen, in ihren Zügen. Sie hoffte, er werde nicht sagen, dass sie nach wie vor schön war. Er war der einzige Mann, für den das nie von Bedeutung gewesen war.
    Sollte sie rasch etwas sagen, ihm zuvorkommen? Sie hätte es unerträglich gefunden, wenn er jetzt etwas Abgedroschenes gesagt hätte. Sofern aber sie den Mund auftat, würde sie nie erfahren, was er gesagt hätte. Für Spielchen war keine Zeit.
    »Ich habe mir oft vorgestellt, wie es wäre, wenn wir einander wieder begegneten«, sagte er schließlich, »allerdings nie angenommen, dass es dazu kommen würde … bis heute.« Er zuckte kaum wahrnehmbar die Achseln. »Ich bin seit einer Woche hier in London. Es war mir unmöglich, nicht an dich zu denken. Immer wieder habe ich überlegt, ob ich nach dir suchen sollte oder ob es besser wäre, Träume ruhen zu lassen. Dann hat jemand deinen Namen genannt, und mit einem Schlag stand die ganze Vergangenheit wieder vor mir, als wäre es gestern gewesen. Ich hatte vermutet, dass du hier sein würdest.« Er sah sich in dem herrlichen Saal mit den glatten Säulen und schimmernden Kronleuchtern um, den Musik und von Wein beschwingtes Gelächter erfüllten.
    Sie wusste genau, was er meinte. Das war ihre Welt, von Geld und Privilegien bestimmt, die in den Familien weitervererbt wurden. Vielleicht waren sie irgendwann in ferner Vergangenheit einmal verdient worden, aber auf keinen Fall von den dort anwesenden Männern und Frauen.
    Ohne weiteres hätte sie sich wieder den alten Kämpfen widmen können, doch wollte sie das nicht. Damals in Rom hatte sie mit der gleichen Verzweiflung wie er an die Revolution geglaubt. Auch sie hatte sich für den Umsturz abgemüht, während
der Belagerung Tag und Nacht in Krankenhäusern gearbeitet, den Soldaten Wasser und Lebensmittel gebracht und am Ende an der Seite der Letzten, die noch Widerstand leisteten, Gewehre abgefeuert. Sie hatte begriffen, warum Mario zum Schluss, als er sich zwischen der Liebe zu ihr und der zur Republik entscheiden musste, seine Ideale gewählt hatte. Der damit verbundene Schmerz war nie vollständig vergangen, nicht einmal nach all diesen Jahren, aber noch schlimmer wäre es gewesen, wenn er sich anders entschieden hätte. Sie hätte ihn nicht auf die gleiche Weise lieben können, weil sie wusste, woran er in Wahrheit glaubte.
    Sie erwiderte sein Lächeln, dann stieg ein leises Lachen in ihr auf.
    »Du bist mir gegenüber im Vorteil. Ich hätte nicht einmal in meinen törichtesten Träumen geglaubt, dich hier zu sehen, praktisch Schulter an Schulter mit dem englischen Thronfolger.«
    In seinen sanft blickenden Augen lag die Erinnerung an alte Späße, in die sich Tränen wegen ihrer unmöglichen Träume mischten. » Touché «, gab er zu. »Das Schlachtfeld ist inzwischen überall.«
    »Das war es schon immer, mein Lieber«, gab sie zur Antwort. »Hier ist es nur komplizierter. Kaum etwas ist so einfach, wie es uns damals erschienen ist.«
    Er hielt ihrem Blick stand. »Es war einfach.«
    Sie überlegte, wie wenig er sich geändert hatte. Es waren nur oberflächliche Einzelheiten: die Haarfarbe, die in seine Haut eingegrabenen Linien. Er mochte weiser geworden sein, die eine oder andere Narbe davongetragen haben, aber in ihm lebte dieselbe Hoffnung so stark wie eh und je, zusammen mit all den alten Träumen.
    Sie hatte vergessen, dass Liebe so

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