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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Augenblick herrschte Schweigen.
    »Ja«, sagte Dismore kurz angebunden. »Ein herber Verlust.«
    »Ach je!« Mrs. Richmond wurde tiefrot. »Ich hatte ganz vergessen. Wie unangenehm. Ist es nicht entsetzlich … Da ist er … gestürzt …« Sie verstummte, wusste offensichtlich nicht, wie sie fortfahren sollte.
    »Natürlich ist er gestürzt«, sagte Dismore mit scharfer Stimme. »Gott allein weiß, wie die Geschworenen zu diesem absurden Schuldspruch kommen konnten. Aber der Fall geht in die Berufung, und bestimmt wird das Urteil revidiert.« Er sah zu Voisey hinüber.
    Auch Richmond wandte sich ihm zu.
    Voisey erwiderte den Blick.
    Mario Corena sah verwirrt drein.
    »Corena kann nichts dazu sagen«, erklärte Voisey knapp. Sein Gesicht war bleich, seine Lippen zusammengepresst. »Ich werde höchstwahrscheinlich zu den Richtern gehören, die über den Fall zu entscheiden haben, wenn er neu verhandelt wird. Eins ist sicher: Der verdammte Polizist Pitt ist ein verantwortungsloser Ehrgeizling, der offenbar nicht damit zurecht kommt, dass andere mehr Geld haben und von höherer Abkunft sind als er. Er scheint entschlossen, die Macht, die ihm sein Amt verleiht, auszunutzen. Vermutlich ist er nie darüber hinweggekommen, dass man seinen Vater wegen Diebstahls deportiert hat, und so rächt er sich jetzt an der Gesellschaft. Es ist schrecklich, wie anmaßend Ignoranten werden, wenn man ihnen ein wenig Verantwortung anvertraut.«
    Es kam Vespasia vor, als hätte man sie geohrfeigt. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Sie hörte den Zorn in Voiseys Stimme, sah den Eifer in seinen Augen. Ihr eigener Zorn stand dem seinen nicht nach.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie ihn kennen«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Aber sicherlich würde ein Richter wie Sie nie und nimmer über jemanden urteilen, ganz gleich, welchen Standes oder welcher Abkunft er ist, wenn er nicht hieb- und stichfeste Beweise hätte. Gewiss würde er sich nicht von den Worten oder Taten anderer beeinflussen lassen und schon gar nicht von seinen eigenen Empfindungen. Gerechtigkeit muss für alle gleich
sein, sonst ist es keine.« Unüberhörbar schwang in ihrer Stimme Sarkasmus. »Daher muss ich annehmen, dass Sie ihn weit besser kennen als ich.«
    Voiseys Gesicht war so bleich, dass die Sommersprossen darauf geradezu hervorstachen. Er sog den Atem ein, sagte aber nichts.
    »Er hat in meine Familie hineingeheiratet«, schloss Vespasia. Es war zwar eine ziemlich weitläufige Verwandtschaft, aber das musste sie nicht unbedingt sagen. Ihr inzwischen verstorbener Großneffe war Pitts Schwager gewesen.
    Angesichts dieses beispiellosen Fauxpas, der Mr. Voisey da unterlaufen war, blieb Mrs. Richmond der Mund offen stehen. Einen Augenblick lang schien die Situation sie zu belustigen, dann aber merkte sie, wie ernst alle die Sache nahmen. In der Luft lag eine Spannung wie vor einem Gewitter.
    »Wirklich bedauerlich«, sagte Dismore in das Schweigen hinein. »Wahrscheinlich hat der Mann seine Pflicht getan, wie er sie verstand. Trotzdem wird die Berufungsinstanz das Urteil zweifellos revidieren.«
    »Äh … ja«, fügte Richmond hinzu. »Zweifellos.«
    Voisey schwieg dazu.

Kapitel 3
    G ut drei Wochen später kam Pitt früh aus der Bow Street nach Hause und widmete den Feierabend der Gartenarbeit. Der Mai war einer der herrlichsten Monate, er brachte eine Fülle von blassen Blüten, frisches Laub und herrlich blühende Tulpen hervor. Der schwere Geruch von Goldlack lag in der Luft und ließ sich fast wie Samt mit Händen greifen. Lupinen begannen zu blühen, hohe Stängel mit Rosa-, Blau- und Lilatönen, und mindestens ein halbes Dutzend Blüten des Türkenmohns öffneten sich, zart und bunt wie farbige Seide.
    Obwohl es reichlich Unkraut zu jäten gab, verbrachte er mehr Zeit damit, die Pracht zu bewundern, als wirklich zu arbeiten. Er hoffte, dass Charlotte mit ihrer Hausarbeit fertig war und bald herauskommen würde, und als er hörte, wie die Terrassentür geöffnet wurde, wandte er sich voll Vorfreude um. Dann aber sah er, dass Ardal Juster mit finsterer Miene über den Rasen auf ihn zukam.
    Sein erster Gedanke war, die Berufungsinstanz könne irgendeinen Verfahrensfehler entdeckt und das Urteil wegen Formmängeln aufgehoben haben. Er hielt es für ausgeschlossen, dass neues Beweismaterial aufgetaucht war, denn er hatte den Fall gründlichst untersucht und jeden befragt, von dem er annahm, dass er etwas dazu auszusagen hatte.
    Juster blieb

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