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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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tatenlos hinnehmen. Ich wollte, ich könnte Ihnen sagen, womit Sie rechnen müssen, aber ich weiß es selbst nicht.« Er ließ die Schultern leicht hängen. Seine Niedergeschlagenheit war in seinen Augen zu lesen.
    »Das würde ohnehin nichts ändern«, sagte Pitt. »Wenn wir es so weit kommen lassen, dass wir einen Fall nicht mehr zur Anklage bringen, weil der Tatverdächtige einflussreiche Freunde hat, taugt das Gesetz nichts, und wir taugen auch nichts.«
    Juster lächelte mit trübselig herabgezogenen Mundwinkeln. Natürlich hatte Pitt Recht – aber um welchen Preis? Ihm war klar, dass er seine Worte leicht sarkastisch gemeint und mit ihnen auch seine Besorgnis hatte übertönen wollen. Er hielt ihm die Hand hin. »Ich bin vor Gericht als Strafverteidiger zugelassen. Sollten Sie je der Ansicht sein, dass ich Ihnen helfen kann, melden Sie sich. Ich meine das ernst, Pitt.«
    »Danke«, sagte Pitt aufrichtig. Immerhin war es möglich, dass er eines Tages auf diesen Rettungsanker angewiesen war.
    Juster nickte. »Schöne Blumen. So muss ein Garten aussehen, alles voller Farbenpracht. Schnurgerade Reihen in Beeten sind mir zuwider. Von allem anderen abgesehen, erkennt man dann viel zu leicht, was falsch gemacht worden ist.«
    Pitt zwang sich zu einem Lächeln. »Ganz meine Meinung.«
    Sie standen beieinander, nahmen die Färbung des Abendhimmels in sich auf, das träge Summen der Bienen, Kinderlachen aus der Ferne und das Zwitschern der Vögel. Sie konnten den Duft des Goldlacks fast schmecken.
    Schließlich verabschiedete sich Juster, und Pitt trat nachdenklich ins Haus.
     
    Vor den Morgenzeitungen hatte sich Pitt gefürchtet. Eine Schlagzeile in riesengroßen Lettern schrie heraus, dass Adinetts Berufung abgewiesen worden war und man ihn in drei Wochen hinrichten werde. Obwohl Pitt das bereits bekannt war, wirkte es gedruckt weit eindringlicher auf ihn. Es blieb keine Möglichkeit mehr, vor den Tatsachen auszuweichen.
    Gleich auf der ersten Seite brachte das Blatt einen langen
Kommentar aus der Feder von Adinetts Verteidiger Reginald Gleave. Da er nahezu unmittelbar unter der Schlagzeile stand, musste jeder ihn sehen. Gleave machte kein Hehl daraus, dass er nach wie vor von der Schuldlosigkeit seines Mandanten überzeugt war, und geißelte die Entscheidung als eins der eklatantesten Fehlurteile der britischen Justiz im gegenwärtigen Jahrhundert. Er erklärte, eines Tages werde das Volk tiefste Scham darüber empfinden, dass die hohen Herren in seinem Namen ein so entsetzliches Unrecht begangen hatten.
    Ohne den Berufungsrichtern einen Vorwurf zu machen, bedachte er den Richter der Erstinstanz mit einigen äußerst unfreundlichen Äußerungen. Die Geschworenen behandelte er mit Nachsicht, seien sie doch in juristischen Dingen Laien, die sich, ohne es zu merken, von den wahrhaft Schuldigen hatten an der Nase herumführen lassen. Als einen von ihnen nannte er Ardal Juster, während er Pitt als Hauptverantwortlichen schmähte:
     
    »… ein gefährlicher Eiferer, der die Macht seines Amtes missbraucht hat, um seinen privaten Rachefeldzug gegen die besitzenden Klassen zu führen. Auslöser war die Verurteilung seines Vaters wegen Diebstahls zu einer Zeit, als Pitt noch zu jung war, um die Notwendigkeit und Richtigkeit eines solchen Verfahrens einzusehen.
    In seiner Tätigkeit hat er den Herrschenden auf jede nur denkbare Weise Steine in den Weg gelegt, und zwar immer so, dass man ihn nicht seines Postens entheben konnte, denn damit wäre er der Macht verlustig gegangen, auf die er so versessen ist. Man gebe sich keinen Täuschungen über seine Motive hin: nicht nur muss er eine Frau unterhalten, die einen aufwändigen Lebensstil gewohnt ist, er ist auch von brennendem Ehrgeiz besessen und möchte am liebsten selbst den feinen Herrn spielen.
    Wir dürfen aber von den Hütern des Gesetzes erwarten, dass sie unvoreingenommen sind, jeden gleich behandeln, niemanden fürchten und niemanden begünstigen. Das ist das Wesen des Rechtsstaates und letzten Endes der Kern aller Freiheit.«
    Pitt überflog den Rest des Artikels, der in diesem Ton weiterging.
    Den Marmeladenlöffel in der Hand, sah Charlotte über den Frühstückstisch zu ihm her. Was sollte er ihr sagen? Wenn sie den Artikel sah, würde sie zuerst wütend werden und anschließend womöglich Angst um ihn bekommen. Falls er ihn aber versteckte, war ihr klar, dass etwas nicht in Ordnung war, und das wäre noch schlimmer.
    »Thomas?«, drang ihre Stimme in seine

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