Die Verschwoerung von Whitechapel
wird bei uns bleiben. Er will sich morgen nach einer Arbeit umsehen.«
»Saul braucht Hilfe«, sagte sie und sah an ihrem Mann vorbei zu Pitt hin. »Können Sie Dinge tragen? Die Arbeit ist nicht schwer.«
»Er hat sich nach der Zuckerfabrik erkundigt«, teilte ihr Karansky mit. »Vielleicht möchte er lieber dort arbeiten.«
Sie sah überrascht drein, bekümmert, als hätte ihr Mann etwas getan, was sie enttäuschte. »Wäre es bei Saul nicht besser?« Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie deutlich mehr meinte, als ihre Worte sagten, und dass sie voraussetzte, er werde sie verstehen.
Karansky zuckte die Achseln. »Sie können beides versuchen, wenn Sie möchten.«
»Sie haben gesagt, dass ich in der Zuckerfabrik keine Stelle bekomme, wenn ich da niemanden kenne«, erinnerte ihn Pitt.
Schweigend sah ihn Karansky eine Weile an, als versuche er dahinter zu kommen, ob man Pitt trauen könne, und als sei er sich seiner Sache nicht sicher.
Seine Frau brach das Schweigen.
»In der Zuckerfabrik ist es nicht gut, Mr. Pitt. Saul bezahlt zwar nicht so viel, aber die Arbeit ist besser, glauben Sie mir.«
Pitt versuchte abzuwägen, ob es besser wäre, sich für die Sicherheit und das zu entscheiden, was der gesunde Menschenverstand riet, oder eine Gelegenheit zu suchen, die ihm die Möglichkeit gab zu entdecken, was an den Zuckersiedereien so gefährlich war, von denen die Hälfte der Menschen in der näheren Umgebung mittelbar oder unmittelbar zu leben schien.
»Was macht Saul?«, fragte er.
»Er ist Seidenweber«, antwortete Karansky.
Karansky schien beinahe zu erwarten, dass er sich für die Zuckersiederei interessierte und sich trotz seiner Warnung um eine Anstellung dort bemühte. Ihm fiel ein, was Narraway zum Thema Vertrauen gesagt hatte.
»Ich denke, ich gehe morgen mal zu ihm, und wenn ich Glück habe, gibt er mir vielleicht Arbeit. Ganz gleich was, es ist besser als nichts, und wenn es nur für ein paar Tage ist.«
Mrs. Karansky lächelte. »Ich sag es ihm. Er ist ein guter Bekannter. Er wird etwas für Sie finden. Vielleicht nicht viel, aber es ist so sicher, wie etwas in diesem Leben nur sein kann. Jetzt haben Sie bestimmt Hunger. Wir essen in einer Stunde. Kommen Sie dann herunter.«
»Danke«, nahm Pitt die Einladung an und erinnerte sich an den Geruch aus der Küche. Die Vorstellung, erneut hinaus auf die säuerlich riechenden, grauen Straßen zu gehen, auf denen das Elend zu Hause war, stieß ihn ab. »Das tu ich gern.«
Kapitel 4
P itt war zwar auch früher schon gelegentlich über Nacht nicht zu Hause gewesen, dennoch empfand Charlotte eine Art Einsamkeit wie nie zuvor. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie diesmal nicht wusste, wann er zurückkehren würde – und ob er überhaupt zurückkehren würde. Wenn, dann mit Sicherheit nur für kurze Zeit.
Sie lag lange wach, zu empört, als dass sie hätte schlafen können. Sie warf sich im Bett herum und zerrte so lange an den Laken, bis sie völlig zerwühlt waren. Schließlich stand sie gegen zwei Uhr auf, um das Bett frisch zu beziehen. Eine halbe Stunde später schlief sie endlich ein.
Als sie im hellen Licht des Morgens erwachte, hatte sie Kopfschmerzen. Sie war entschlossen, etwas zu unternehmen. Keinesfalls konnte sie die Dinge einfach hinnehmen; das wäre ihr unerträglich erschienen. Was da ablief, war von vorn bis hinten ungerecht – natürlich in erster Linie Pitt gegenüber, aber auch gegenüber der ganzen Familie.
Sie kleidete sich an und ging nach unten in die Küche, wo Gracie bereits am Tisch saß. Durch die offene Tür der Spülküche fiel ein Sonnenstrahl auf den frisch geputzten Fußboden. Die Kinder waren bereits zur Schule gegangen. Charlotte war verstimmt, weil sie sie nicht verabschiedet hatte, zumal an diesem Tag.
»Morgen, Ma’am.« Gracie stand auf und ging zum Wasserkessel hinüber, der auf dem Herd sang. »Ich mach schnell frischen
Tee.« Schon während sie das sagte, goss sie siedendes Wasser in die Kanne und kam damit an den Tisch, auf dem zwei Tassen bereitstanden. »Daniel und Jemima waren heute Morgen sehr brav. Ich hab mir die Sache mit Mr. Pitt durch den Kopf gehen lassen, und ich finde, wir müssen was tun. Was die da mit ihm machen, is nich recht.«
»Ganz meine Meinung«, pflichtete ihr Charlotte bei und setzte sich ihr gegenüber. Der Tee zog ihr viel zu langsam.
»Toast?«, erkundigte sich Gracie.
»Später«, sagte Charlotte und schüttelte leicht den Kopf. Er schmerzte immer noch. »Ich habe
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