Die Verschwörung
gingen zurück ins Haus. Lee nahm seine Tasche und folgte Faith nach oben. Er duschte und zog frische Khaki-Sachen, einen Pulli und Turnschuhe ohne Socken an, denn er hatte vergessen, welche mitzunehmen. Er machte sich nicht die Mühe, seine neue Bürstenfrisur zu trocknen. Er ertappte sich dabei, daß er in den Spiegel schaute. Der Haarschnitt stand ihm. Eigentlich wirkte er sogar ein paar Jahre jünger. Er klopfte auf seinen harten Bauch und protzte vor dem Spiegel kurz mit den Muskeln.
»Ja, genau«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »Nicht mal dann, wenn sie dein Typ wäre, was sie aber auf keinen Fall ist.« Er verließ das Zimmer, um nach unten zu gehen, blieb dann aber im Korridor stehen.
Faiths Schlafzimmer lag am anderen Ende des Flurs. Lee hörte, daß ihre Dusche noch lief. Wahrscheinlich ließ sie sich nach der langen Fahrt unter dem warmen Wasser ausgiebig Zeit. Sie hatte sich gut gehalten, das mußte er zugeben. Sie hatte sich auch nicht übermäßig beklagt. Er ging über den Flur, als ihm plötzlich der Gedanke kam, daß Faith die Dusche vielleicht nur als Ablenkungsmanöver benützte und in diesem Augenblick im Begriff war, durch die Hintertür zu verschwinden.
Soviel er wußte, hatte sie einen Mietwagen bestellt, der auf der Straße stand. Vielleicht haute sie gerade mit dem Wagen ab und überließ ihn seinem Schicksal. War Faith genauso wie ihr Vater? Verschwand sie bei Nacht und Nebel, wenn die Lage kritisch wurde?
Er klopfte an die Tür. »Faith?« Keine Antwort, also klopfte er lauter. »Faith? Faith!« Das Wasser lief noch immer. »Faith!« rief er. Er griff nach der Klinke. Die Tür war abgeschlossen. Er hämmerte an die Tür, rief ihren Namen.
Lee wollte gerade die Treppe hinunterstürmen, als er Schritte hörte und die Tür aufgerissen wurde. Faith stand vor ihm. Ihr Haar war durchnäßt und hing ihr ins Gesicht. Wasser tropfte an ihren Beinen. Ein Handtuch verhüllte nur knapp ihre Blößen.
»Was ist?« fragte sie. »Stimmt was nicht?«
Lee ertappte sich dabei, daß er die fein geschwungenen Knochen ihrer Schultern anstarrte, die ihren Audrey-Hepburn-Hals und die Straffheit ihrer Arme nun gänzlich enthüllten. Dann glitt sein Blick zu ihren Oberschenkeln hinunter, und er schlußfolgerte rasch, daß ihre Arme nicht mit den Beinen konkurrieren konnten.
»Was ist los, Lee, verdammt?« fragte sie laut.
Lee fuhr zurück. »Ach, nichts. Ich wollte nur wissen ... äh, ob ich was zu Essen machen soll.« Er setzte ein lahmes Lächeln auf.
Sie schaute ihn ungläubig an, während sich auf dem Teppich zu ihren Füßen eine Wasserpfütze sammelte. Als sie das größtenteils nasse Handtuch straffer um den Körper zog, malten ihre kleinen, festen Brüste sich unter dem dünnen Stoff ab. In diesem Moment begann Lee ernsthaft darüber nachzudenken, ob er noch einmal duschen gehen sollte - diesmal aber so kalt, daß ein bestimmter Teil seiner Anatomie die gleiche Farbe bekam wie seine Augen.
»Ja, schön.« Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
»Wirklich schön«, sagte Lee leise zu der Tür.
Er ging nach unten, inspizierte den Inhalt des Kühlschranks, entschied sich für ein Gericht und baute die Lebensmittel und Pfannen vor sich auf. Er hatte so lange allein gelebt, daß er sich, der ewigen Fertiggerichte überdrüssig, entschlossen hatte, kochen zu lernen. Er empfand es sogar als Therapie und ging inzwischen davon aus, daß er nun, da seine Arterien vom Fett befreit waren, zwanzig Jahre länger leben würde. Wenigstens war er bis zu dem Tag davon ausgegangen, an dem er Faith Lockhart begegnet war. Nun konnte er sich alle Wetten auf ein langes Leben abschminken.
Lee legte Alufolie auf ein Backblech, bestrich den Fisch mit Butter, das er in einer Pfanne hatte schmelzen lassen, und ließ es eindringen. Dann gab er Knoblauch, Zitronensaft und einige andere Gewürze hinzu, deren Zusammensetzung der geheimen Tradition der Adams-Familie entstammte, und schob den Fisch in den Backofen. Er zerschnitt Tomaten und ein Stück Mozzarella, verteilte beides appetitlich auf einem Servierteller und fügte Olivenöl und Basilikum hinzu. Als nächstes bereitete er einen Salat zu. Dann schnitt er ein Baguettebrot der Länge nach auf, bestrich es mit Butter, gab Knoblauch darauf und legte es in den unteren Ofen. Er deckte den Tisch für zwei Personen und legte Leinenservietten neben das Besteck, die er in einer Schublade fand. Kerzen standen zwar schon da, doch sie anzuzünden kam Lee bescheuert vor.
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