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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ich das, aus.«
    Tja, aus. Ich wusste, dass er recht hatte, aber Murray und ich waren schon so lange befreundet, dass es mir besonders weh tat, ihn zu verlieren, weil er sich weiter und weiter von der Wahrheit distanzierte. Ich verzog das Gesicht, als mir bewusst wurde, dass ich selbst in puncto Wahrheit auch nicht gerade ein leuchtendes Vorbild war.
    Mr. Contreras stand, immer noch wütend, mit in die Hüften gestemmten Händen da. »Und was wollen Sie jetzt machen?«
    »Ich werde ein bisschen Gymnastik machen und dann frühstücken«, sagte ich. Meine anderen Pläne für den Vormittag verriet ich ihm lieber nicht.
    Allerdings versprach ich Mr. Contreras, nicht allein in den Park zu gehen: Mitch und Peppy freuten sich schon, Wachhund spielen zu können. Im Park machte ich ein paar Dehnübungen und lief dann ein bisschen, um zu sehen, ob meine Beine schon wieder mitmachten. Meine Smith & Wesson hatte ich in einer Bauchtasche, die beim Joggen unangenehm gegen meinen Unterleib schlug; die Prellung an der Seite tat mir immer noch zu weh, als dass ich ein Schulterholster hätte tragen können.
    Insgesamt schaffte ich nur knapp fünf Kilometer, aber ich freute mich, dass ich mich überhaupt wieder einigermaßen rühren konnte. Beim Joggen behielt ich die Hunde an der Leine, was ihnen nicht sonderlich gefiel. Sie zogen und zerrten, und darüber beschwerten sich die Muskeln in meinem Körper. Ich drehte mich immer wieder um, um zu sehen, ob mir jemand folgte, doch wir schafften es einmal rund um den kleinen Hafen, in dem die Polizei Lucian Frenada gefunden hatte, ohne dass jemand versucht hätte, mich von den Felsen zu stoßen.
    Auf dem Weg zurück zum Wagen rief ich Morrell von einer Telefonzelle aus an. Ich fragte ihn nach dem LifeStory-Bericht, doch er fiel mir ins Wort.
    »Sie rufen von einer Telefonzelle aus an, aber ich spreche von meinem Privatapparat. Ich glaube, dass Sie bei diesen Leuten kein Risiko eingehen sollten. Zwei Häuserblocks nördlich von dem Lokal, wo wir gestern abend gegessen haben, gibt's einen Coffee-Shop, auf der Ostseite der Straße. Ich könnte in einer halben Stunde dasein.«
    »Das ist ja wie im Räuber-und-Gendarm-Spiel«, sagte ich zu den Hunden. »Einfach lächerlich.«
    Tags zuvor hatte ich Alex-Sandy beschuldigt, einen Drehbuchautor in Hollywood beauftragt zu haben, das Skript für die Kokaingeschichte in meinem Büro zu schreiben, aber nun hatte ich das Gefühl, selbst in einem schlechten Film mitzuspielen, und zwar mit einem Mann, der so abgedreht war, dass er nicht einmal seinen Vornamen benutzte. Ich fuhr hoch nach Edgewater und besorgte Wasser für die Hunde, während ich auf Morrell wartete. Als er schließlich kam, wirkte er eher besorgt als abgedreht, aber wer weiß schon, wie Paranoia sich der Welt präsentiert. Ich fragte ihn, ob dieses ganze Theater wirklich nötig sei.
    »Sie haben mich gestern abend angerufen und mir gesagt, dass Sie Angst haben, abgehört zu werden. Und ob das alles nötig ist - nun, so ist das nun mal in einer solchen Situation. Man weiß einfach nicht, ob man tatsächlich beschattet wird oder sich das nur einbildet. Der psychologische Druck wächst und wächst, bis man sich fast nach einer Chance sehnt aufzugeben, damit endlich diese Unsicherheit aufhört. Deshalb ist es so wichtig, dass Partner sich immer wieder gegenseitig aufbauen.«
    Ich nahm den Umschlag, den er mir reichte, und bedankte mich kleinlaut. »Ich weiß, dass ich mich hilfesuchend an Sie gewandt habe, aber ich finde es einfach verrückt, in meiner Heimatstadt James Bond zu spielen.«
    Er bückte sich zu den Hunden, die ihn winselnd umkreisten. »Na, da haben Sie ja eine ganz schöne Sammlung von Prellungen. Sind die alle von dem Sprung am Samstag?«
    Ich hatte keine Zeit gehabt, meine kurze Laufhose und das Top aus- und etwas anderes anzuziehen, so dass man die großen, inzwischen grünen Flecken auf meinen Beinen und meinem Oberkörper gut erkennen konnte. Es sah ein bisschen so aus, als habe Jackson Pollock mit mir ein lebendes Kunstwerk kreieren wollen.
    »Nun, jedenfalls sind Sie nicht vor einem Phantom weggelaufen.« Er richtete sich wieder auf und sah mich mit seinen braunen Augen an. »Ich weiß, dass meine Zeit in Mittelamerika mein Urteilsvermögen ein wenig getrübt hat, und ich versuche, wenn ich hier bin, etwas dagegen zu tun. Aber Sie sehen ja, wie schmal der Grat zwischen Polizei und Macht ist, besonders in einem Land wie Amerika, wo wir ständig auf der Hut sind vor

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