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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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vorausgesetzt, man fand eine gemeinsame Sprache.
    Hatte Nicola damit gerechnet, dass der kleine Robbie Mitleid mit ihr haben würde? Ein sensibler, übergewichtiger Junge wäre in diesem sportbesessenen Haus sicher ein leichtes Ziel gewesen. Vielleicht hatte Nicola einfach genug gehabt von der Mom - mir war das schon nach knapp zwanzig Minuten so gegangen -, und sie hatte beschlossen, ihr nicht nur die Zuneigung ihres Sohnes, sondern auch ihre Halskette zu stehlen. Zwar hatte ich nicht vor, Nachforschungen in der Diebstahlssache von damals anzustellen, aber ich fragte mich trotzdem, ob Nicola Aguinaldo wirklich eine asthmatische Tochter hatte.
    Und was war mit dem Dad? Robbie hatte meinen Gedanken, dass Eleanor Baladine möglicherweise nur einen Vorwand gesucht hatte, um Nicola feuern zu können, ziemlich schnell begriffen. Und die Freundinnen von Eleanor wussten definitiv etwas, das hatte ich an ihrer starren Körperhaltung und den verstohlenen Blicken gesehen. Hatte Robert sich etwa auf ein Techtelmechtel mit dem Kindermädchen eingelassen an jenen Tagen, an denen sie freihatte und er sie nach Chicago fuhr? Hatte sie vielleicht gedacht, er würde ihr zu Hilfe kommen, nachdem sie aus dem Gefängnis geflohen war, ja, möglicherweise sogar Eleanor ihretwegen verlassen? Hatte er sie unter Umständen ermordet, damit sie keine Unordnung in sein glückliches Familienleben brachte?
    Allmählich begann die Rushhour. Die Fahrt nach Hause dauerte fast doppelt so lange wie die in die Vororte, und der Auspuff wurde auf dem Weg vom Eisenhower zum Kennedy Expressway in nördlicher Richtung immer lauter. Als ich den Wagen endlich vor meiner Wohnung abstellte, vibrierte mein ganzer Körper. Das war mit Sicherheit kein Auto, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte.
    Mr. Contreras war zusammen mit den Hunden hinterm Haus und widmete sich seinen Tomaten. Ich rief ihnen von meiner Veranda aus zu, und Peppy kam hoch, um mich zu begrüßen. Mitch kaute an einem Ast und hob kaum den Kopf.
    Während ich eine Jeans anzog, ließ Peppy mich nicht aus den Augen. Es war klar, dass sie mich begleiten wollte, wenn ich das Haus verließ. »Ich will nach Uptown, altes Mädchen. Was ist, wenn mich da jemand angreift, und du bist tagelang im Wagen eingesperrt? Na ja, so lange bleibt ein Auto in der Gegend normalerweise nicht unbehelligt stehen. Außerdem müsste ich die Fenster offenlassen, wenn du dabei bist - da konnte doch jemand vorbeikommen und dich stehlen oder dir weh tun.« Aber gegen die Sehnsucht in ihren bernsteinfarbenen Augen hatte ich einfach keine Chance. Nachdem ich meine Pistole aus dem Safe geholt und die Sicherung überprüft hatte, legte ich Peppy an die Leine und rief Mr. Contreras, der immer noch unten bei seinen Tomaten war, zu, dass ich sie mitnehmen wolle.
    Als ich den Wagen zwischen einem verrosteten Chevy und einem leeren Gurkenglas abstellte, fragte ich mich, was Nicola Aguinaldo wohl gedacht hatte, wenn sie am Sonntag die lange Fahrt nach Hause machte. Vorortbus zum Zug, Zug zur Union Station, zu Fuß zur State Street, Hochbahn bis Bryn Mawr und dann die sechs Häuserblocks bis zu ihrer Wohnung an der Wayne Street. Das dauerte mehr als zwei Stunden, selbst wenn alle Verbindungen einwandfrei klappten. Und wenn sie dann daheim war, fand sie dort keinen Pool und ordentlich gepflegten Rasen für ihre Kinder vor, sondern nur ein winziges, mit Glasscherben übersätes Geviert vor ihrem Haus. Wenn sie sich auf etwas mit Baladine eingelassen hatte, dann vielleicht in der Hoffnung, ihren Kindern den Weg aus der Wayne Street zu erkaufen.
    Die Mädchen, die mir am Abend zuvor geholfen hatten, die Straße abzusuchen, spielten wieder dort. Ich nahm das leere Gurkenglas vom Boden, bevor jemand darüber fuhr oder es durch die Gegend schleuderte. Da ich nirgends einen Abfalleimer entdecken konnte, warf ich es durch das offene hintere Fenster in den Skylark. Peppy streckte sofort den Kopf heraus, wohl, weil sie hoffte, dass ich sie brauchte. Die Mädchen entdeckten sie und hörten auf zu spielen.
    »Ist das Ihr Polizeihund, Miss?« »Beißt der, Miss?« »Kann ich ihn streicheln?« »Bleibt der im Wagen?«
    »Sie ist ganz lieb und hat's gern, wenn man sie begrüßt. Soll ich sie rauslassen?«
    Sie kamen nervös kichernd auf den Wagen zu. Peppy ist ein ausgesprochen wohlerzogener Hund. Als ich sie herausließ, tänzelte sie ein paar Minuten vor Freude herum und setzte sich dann, um den Mädchen eine Pfote hinzustrecken. Sie

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