Die verschwundene Frau
»Ach, ich und mein loses Mundwerk. Mein Mann sagt, er kann mich nicht mal nach der Uhrzeit fragen, ohne dass ich ihm die ganze Speisenfolge fürs Abendessen herunterbete. Ich habe keine Ahnung, warum ich das gesagt habe, es ist mir einfach so herausgerutscht.«
»Und was sagen Sie?« fragte ich Eleanor Baladine. »Hat sie Ihnen von dem Angriff auf Ms. Aguinaldo erzählt? Oder war's umgekehrt?«
»Hören Sie zu, wie Sie auch immer heißen mögen: Ich habe allmählich die Nase voll davon, dass ständig Leute in meinem Privatleben herumschnüffeln. Nicola war die schlimmste Sorte Ausländer, die man sich vorstellen kann. Sie hat gelogen und gestohlen und meinem Sohn abergläubischen Unsinn erzählt. Ich war offen gestanden froh, als sie schließlich ins Gefängnis kam. Wenn sie ausgebrochen ist und verletzt wurde, nun, dann hat sie sich das wahrscheinlich selbst zuzuschreiben.«
»Ich glaube, Verletzungen wie die ihren hat sich niemand selbst zuzuschreiben. Sie ist ermordet worden, und zwar auf übelste Weise. Jemand hat sie mit so heftigen Tritten oder Schlägen traktiert, dass ihr Darm gerissen ist, und sie dann auf der Straße liegenlassen. Sie ist gestorben, weil ihr ganzer Bauchraum mit Kot gefüllt war. Das ist ein unglaublich schmerzhafter Tod. Wenn Sie das alles schon wussten, bevor ich hierhergekommen bin, nun, dann wurde ich gern mehr über das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Mann und Ms. Aguinaldo erfahren.«
Die Kinder waren mittlerweile aus dem Pool geklettert. Die Mädchen drängten sich bei ihren Müttern zusammen, doch die Zwillingsjungen gingen mit ihren Space-Berets-Waffen aufeinander los. Jetzt trat die dunkelhäutige Frau wieder zu uns, um Madison in ein Handtuch zu hüllen. Das Mädchen ergriff ihre Hand.
Mrs. Trant legte den Arm um Rhiannon. »Die Verletzungen klingen scheußlich, Detective, aber vielleicht könnten wir uns darüber ein andermal unterhalten.«
Eleanor Baladine war da schon härter im Nehmen. »Ich möchte den Namen Ihres Vorgesetzten und auch Ihren, Detective. Nur weil wir hier in den Vororten wohnen, bedeutet das noch lange nicht, dass mein Mann keine einflussreichen Leute in Chicago kennt.«
»Das glaube ich Ihnen gern, Mrs. Baladine. Schließlich ist er der Chef von Carnifice. Wie ich Ihnen schon ein paarmal gesagt habe, ist mein Name V. I. Warshawski.« Ich holte eine Visitenkarte aus meiner Handtasche. »Und ich bin Privatdetektivin, nicht bei der Chicagoer Polizei.«
Eleanor bedachte mich mit einem funkelnden Blick und holte tief Luft.
»Sie sind Privatdetektivin? Wie können Sie es wagen, sich hier auf meinem Anwesen einzuschleichen und dreiste Fragen zu stellen? Verlassen Sie sofort das Grundstück, sonst rufe ich die Polizei und lasse Sie wegen Hausfriedensbruchs verhaften.«
»Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie mich eingeladen haben hierherzukommen.«
»Aber jetzt lade ich Sie wieder aus. Verschwinden Sie. Und nehmen Sie meinen Sohn nicht wieder im Auto mit, sonst zeige ich Sie wegen Entführung an. Sie sabotieren meine Bemühungen, ihn zum Abnehmen zu bringen.«
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. »Sie sind schon eine merkwürdige Frau, Mrs. Baladine. Da wird Ihr früheres Kindermädchen ermordet, und Sie machen sich Gedanken über das Gewicht Ihres Sohnes. Vielleicht ist er nicht gerade scharf auf Salat und Fitness-Studios wie Sie und Ihre Freundinnen, aber ich finde ihn ganz sympathisch. Stellen Sie ihn nicht immer bloß vor Fremden. Und bitte werfen Sie meine Visitenkarte nicht weg. Egal, ob ich nun Polizistin bin oder Privatdetektivin - ich ermittle im Fall Aguinaldo. Wenn Sie es sich anders überlegen und nur sagen wollen, was Sie über Nicolas Privatleben wussten, dann rufen Sie mich doch an.«
Eleanor ließ meine Visitenkarte auf den Boden fallen und trat mit den Füßen darauf herum. Dann klatschte sie in die Hände und wandte sich den Mädchen zu. »Madison, Rhiannon, zurück in den Pool. Ich möchte ein Wettschwimmen über zwei Bahnen sehen. Die Siegerin bekommt einen Becher gefrorenen Joghurt.«
Als ich an der Garage vorbeiging, hörte ich Mrs. Trant sagen: »Ich finde, Rhiannon hat genug für heute, findest du nicht auch, Schätzchen?«
Kindermund tut Wahrheit kund
Während ich mich mit dem Öffnungsmechanismus des Tores abmühte, tauchte Robbie aus dem Gebüsch auf. Vielleicht war seine Mutter alles andere als zufrieden mit seinen sportlichen Fähigkeiten, aber durch die Büsche konnte er sich winden wie eine Schlange.
Wir
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