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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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sahen einander schweigend an. Das Haus war so weit entfernt, dass ich nicht das geringste von Eleanor Baladines Trainingsversuchen oder dem Kreischen der Jungen im Pool mitbekam.
    Je länger das Schweigen dauerte, desto schwerer würde es Robbie fallen, überhaupt etwas zu sagen, also eröffnete ich das Gespräch. »Tut mir leid, dass ich dir nichts über Nicolas Tod sagen konnte, bevor deine Schwester aufgetaucht ist.«
    Der Junge wurde rot. »Wie haben Sie... Sie haben Mom doch nicht erzählt, dass ich gelauscht habe, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab' gar nicht gemerkt, dass du da bist - du bewegst dich für einen Stadtmenschen wie mich viel zu geschickt im Gebüsch.«
    »Woher wissen Sie dann, dass ich gehört habe, wie Sie sich mit ihr unterhalten haben?«
    Ich lächelte »Das ist eine Frage der Logik. So was lernt man in der Detektivausbildung. Ist wahrscheinlich ganz schön anstrengend, mit drei so besessenen Sportlern wie deiner Mutter und deinen Schwestern zusammenzuleben, was? Ist dein Vater auch so verrückt aufs Schwimmen?«
    »Nein, der spielt Tennis. Ist zwar nie richtig gut gewesen wie Mom - sie hat jede Menge Pokale, bloß keine olympische Medaille, also sollen wir das für sie erledigen. Ich hab's versucht, wirklich, aber... aber wenn sie einen ständig hänseln...«
    »Nicola hat das nicht gemacht, oder?« fragte ich, bevor er zu weinen anfangen konnte.
    Er lächelte mich dankbar an. »Nicola hat nicht so gut Englisch gesprochen. Sie hat ein bisschen Spanisch gekonnt, aber ihre Muttersprache war Tagalog, das reden die Leute auf den Philippinen, und da war sie her. Sie hat immer gesagt, es ist wichtiger zu lesen und viele Sachen aus Buchern zu wissen, als schwimmen zu können. Ohne Bildung konnte sie nur Kindermädchen sein oder putzen. Sie hat mir den Nachthimmel erklärt, damit ich mich an den Sternen orientieren kann. Ich hab' mir ein Buch über die Sternbilder in Spanisch und Englisch besorgt, und das hat Mom wütend gemacht; sie war der Meinung, dass Nicola Englisch lernen soll, nicht ich Spanisch. Vielleicht hat Nicola mich auf Tagalog ja auch Pummelchen genannt.«
    Das schien sein Versuch zu sein, einen Scherz, zu machen, also lachte ich ein bisschen mit ihm. »Wer waren denn die Frauen, die heute da waren?«
    »Ach, das sind Freundinnen von Mom. Mrs. Trant; ihre Tochter und Madison sind in derselben Klasse. Und Mrs. Poilevy. Parnell und Jason Poilevy. Ich soll mit ihnen spielen, weil ihr Vater wichtig für meinen Vater ist, aber ich kann die beiden nicht leiden.«
    Poilevy. Der Speaker von Illinois House. Er hatte bei dem Fest am Dienstag abend neben Edmund Trant gestanden.
    »Erzähl mir von der Halskette«, sagte ich zu Robbie.
    »Was soll damit sein?«
    »Weißt du, ob sie wirklich wertvoll war? Und glaubst du, dass sie tatsächlich verschwunden ist?«
    »Sie wollen wissen, ob Mom nur so getan hat, als ob sie weg ist, damit sie auf Nicola losgehen kann?«
    Man kann über die Kinder von heute sagen, was man will - die ganzen Krimis, die sie sich im Fernsehen anschauen, lassen sie schon sehr früh begreifen, was Betrug bedeutet. »Ja, so ähnlich.«
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie hart Mom ist. Wenn sie Nicola hätte loswerden wollen, dann hätte sie sie einfach vor die Tür gesetzt. Nein, nein, Nicola hat die Halskette schon gestohlen.« Er runzelte die Stirn. »Sie hat sie ganz in der Nähe von ihrer Wohnung verkauft. Als Mom hier großen Zirkus gemacht und die Polizei gerufen hat, haben die Beamten die Kette in so 'nem Schmuckladen gefunden.«
    »Du meinst in einem Pfandhaus«, sagte ich.
    »Ja, genau, in einem Pfandhaus. Und der Mann vom Pfandhaus hat Nicola auf dem Foto erkannt. Ich weiß noch, dass Dad gesagt hat« - hier wurde er wieder rot - »>die dumme Kuh hat bloß zwölfhundert Dollar für eine Halskette gekriegt, die fünfzigtausend wert ist<.«
    »Weißt du, warum sie die Halskette überhaupt gestohlen hat?«
    »Ihre Tochter hat Asthma, und das ist ziemlich schlimm geworden, und da musste sie mit ihr ins Krankenhaus, aber wahrscheinlich hat Nicola kein Geld dafür gehabt. Ich hab' gehört, wie sie Mom um ein Darlehen gebeten hat, ein paar tausend Dollar. So viel Geld hat Mom ihr nicht geben können, es hätte Jahre gedauert, bis Nicola das abbezahlt hätte. Ich hab' ihr fünfhundert Dollar gegeben - das Geld, das ich mir von den Geburtstagsschecks meiner Großeltern zusammengespart habe -, aber Dad hat das irgendwie rausgefunden und die Schecks sperren

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