Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Vorherrschaft männlich dominierter Gesellschaften, historischem Argwohn und der Furcht vor weiblicher Sexualität geschuldet sein?
Und was ist mit Chiversâ Plethysmographen, der Augenscheinliches zum Ammenmärchen degradierte? Was ist mit den Trieben, die sich unter der Oberfläche verbergen, die innerhalb der sozialen Schranken kauern? Die sexuellen Erkenntnisse der Evolutionspsychologie scheinen manchmal nichts als ein konservatives Märchen zu sein, zwar nicht absichtlich konservativ, aber dem Geiste nach dennoch system erhaltend, den sexuellen Status quo untermauernd. Frauen sind, so lehrt uns dieses Märchen, von Natur aus das zurückhaltendere Geschlecht; so lautet die angeborene Norm, das ist normal. Und dem Normalen wohnt schlieÃlich stets eine selbstbestätigende und sich selbst erhaltende Kraft inne. Einfach weil nur wenige Menschen davon abweichen wollen.
Das weibliche Gehirn , einer der jüngsten Megaseller auf dem Gebiet der populären Psychologie, beginnt mit Lektionen auf der Grundlage der Theorie vom elterlichen Investment und eignet sich als Sinnbild dafür, wie die Evolutionspsychologie ihre sexuelle Vision in der gesamten Gesellschaft verbreitet hat. Das Mädchengehirn sei eine für Beziehung und Bindung gebaute Maschine. Diese bestimme das Handeln des weiblichen Menschen von Geburt an. Und zwar als Resultat jahrtausendelanger genetischer und evolutionärer Prägung und Verdrahtung im Gehirn. Die Hirn-Maschine der Jungs ist dagegen ganz anders: gebaut für Lust und Ekstase.
Das Buch gibt, wie auch haufenweise andere aus dem Genre populärwissenschaftliche Psychologie, vor, seine Evolutionstheorie mit etwas Konkretem, nämlich der funktio nellen Magnetresonanztomographie (f MRT ) â also Bildern der aktivierten Hirnareale â zu untermauern. Dabei wird diese Methode dem Anspruch nicht im Geringsten gerecht. Man verbringt dabei viel Zeit in f MRT -Laboren, starrt mit Neurowissenschaftlern auf Monitore, während f MRT -Daten vom Gehirn des Probanden an Laborcomputer übermittelt werden, und lauscht den Anstrengungen der Wissenschaftler, die Bilder von Hirnregionen auf ihren Bildschirmen auslesen und analysieren. Fragt man unumwunden nach dem Stand der scheinbar wundersamen Technik, deren Mög lichkeiten von den Medien so gern gehypt werden, dann stellt sich heraus, dass die Technologie überhaupt nicht präzise genug ist, um die winzigen Subregionen und miteinander verknüpften Hirnsysteme zu unterscheiden und zu er fassen, die unsere komplexen Gefühle steuern, darunter auch das Verlangen nach Sex. Wenn wir in den Nachrichten oder einer Zeitschrift davon erfahren, dass »der Hippocampus aufleuchtete, als sich die Testpersonen Fotos von â¦Â« ansahen, dann lernen wir dabei etwas, das ungefähr so spezifisch ist wie die Aussage eines Fernsehreporters, der von einem Hubschrauber aus vermeldet: »Dichter Verkehr irgendwo im Norden von New Jersey.« Wissenschaftler versichern mir immer wieder, dass Bildbetrachtungen des Gehirns einfach keine Methode sind, um auch nur irgendetwas Genaues über die Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher emotionaler Neurologie herauszufinden. Zumindest noch nicht. AuÃerdem eignet sich diese Technik vielleicht gar nicht dafür, angeborene Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu untersuchen. Denn Erfahrungen â Aktivität und Inaktivität, positive und negative Verstärkung â verändern das Nervensystem ständig, stärken etwas und dämpfen etwas anderes.
Behauptungen wie die in Das weibliche Gehirn â Beziehung kontra Ekstase oder die Annahme, dass es für befriedigenden Sex einer Frau warm und gemütlich sein muss und dass sie, das sei am allerwichtigsten, demjenigen vertrauen müsse, mit dem sie zusammen ist â weisen verblüffende Ãhnlichkeit mit den Lehren fundamentalistischer Christen auf. Die weltlichen Argumente sind zwar etwas weniger extrem, doch die Message ist identisch. In Materialien zur Gesundheitserziehung, die von Evangelikalen zusammengestellt und in den letzten zehn Jahren in Tausenden öffentlichen Schulen verwendet wurden, stehen in einer Aufzählung der »fünf wichtigsten Bedürfnisse von Frauen« in der Ehe ganz oben »Zuneigung« und »Gespräch«. Sex kommt gar nicht vor. Auf der gegenüberliegenden Seite wird die Liste für die Männer angeführt von »sexuelle
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