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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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– Sublimierung. Lust und Eros mussten unterdrückt, die Libido auf Leistung ausgerichtet werden. Diese Unterdrückung, die Aufgabe umfassender sexueller Restriktion, trug die viktorianische Gesellschaft in erster Linie den Frauen auf.
    Wie weit sind wir in den letzten rund 100 Jahren gekommen? In einer Richtung so weit, dass wir das Viktorianische als Kuriosum der Vergangenheit betrachten; über die verkniffene Rechtschaffenheit lässt sich heute leicht lachen. Das liegt an einer Entwicklung, die rasch von der Verniedlichung oder Verleugnung weiblicher Sexualität fortführt, über Freuds freimütige Erforschung weiblicher Lust, über die Unverfrorenheit des Jazz Age und die Schamlosigkeit der Flapper Girls. Sie führt weiter zur Erfindung der Antibabypille, zu den gesellschaftlichen Umwälzungen der Sechzigerjahre und der sexuellen Revolution bis hin zu Madonnas aggressiven konischen Brustpanzern und der pornografischen Selbstdarstellung unzähliger weniger berühmter weiblicher Promis. Die entgegengesetzte Argumentation beginnt ebenfalls bei Freud, und zwar in dem Teil seiner Schriften, der Frauen von Natur aus einen schwächeren »sexuellen Instinkt«, ein geringeres Lustempfinden attestiert, und führt weiter zu den Ratgeberbüchern nach dem Ersten Weltkrieg, in denen es beispielsweise heißt, dass im Unterschied zu praktisch allen Männern »die Zahl der Frauen, die sich nicht mit einem Partner zufriedengeben, verschwindend gering ist«. Aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren kennt man die Geschichte von Alfred Kinsey, dem die Forschungsgelder gestrichen wurden, nachdem er sich – unverzeihlich – von der Katalogisierung des männlichen Sexualverhaltens abgewandt hatte, um Das sexuelle Verhalten der Frau zu publizieren. Ab den späten Sechzigern verbreitete der Bestseller Alles, was Sie schon immer über Sex wissen wollten diese emotionale Gesetzmäßigkeit: »Bevor eine Frau Geschlechtsverkehr mit einem Mann haben kann, muss sie gesellschaftlichen Verkehr mit ihm haben.« Und schließlich wäre da noch der Zustrom aktueller Denkarten: verordnete Keuschheit vor allem von Mädchen und jungen Frauen durch evangelikale Christen; Wellen von Panik und sexuellem Protektionismus, die die säkulare Gesellschaft in Bezug auf Mädchen, aber nicht auf Jungs, immer wieder erfassen; und natürlich die weitverbreitete – aber spärlich belegte – These der Evolutionspsychologie, wonach Frauen, im Unterschied zu den auf die Jagd nach Belohnungssex gepolten Männern, von ihren Genen gesteuert auf der Suche nach Geborgenheit in einer Beziehung sind.
    Diese Mischung ist vielsagend. In gewisser, aber grundlegender Weise unterscheidet sich die viktorianische Vorstellung von Frauen und Sex gar nicht so sehr von der unserer Zeit. Und die Wissenschaft – in diesem Fall die Evolutionspsychologie – nimmt dabei einen merkwürdigen konservativen Einfluss. Der Mainstream der Evolutionstheorie erklärt geflissentlich unsere körperlichen Merkmale – vom opponierbaren Daumen über unsere aufrechte Haltung bis hin zur Struktur unseres Immunsystems. Die Evolutionspsychologie allerdings, ein in den letzten Jahrzehnten blühendes Feld, versucht mit denselben darwinistischen Prinzipien die Charakteristika der menschlichen Seele zu erhellen – von unserer Bereitschaft zur Zusammenarbeit bis zu unseren Neigungen auf einem der Hauptgebiete der wissenschaftlichen Forschung, dem Sex. Die Ambitionen auf diesem Gebiet sind verführerisch und trügerisch. Verführerisch, weil sie zu versprechen scheinen, dass Darwins großartige Logik uns ein allumfassendes Verständnis von uns selbst beschert; trügerisch, weil die Charakteristika so kompliziert sind und vielleicht in der Hauptsache doch eher von der Gesellschaft geprägt als von ererbten Genen bestimmt sind. Evolutionspsychologen vertrauen absolut darauf, dass unsere Verhaltensmuster, Motive und Emotionen primär Ausdruck unserer Gene sind. Was ist, so die Evolutionspsychologen, sollte – genetisch gesehen – auch so sein. Das gilt für die Tatsache, dass unsere Daumen zum Greifen besonders nützlich sind, ganz genauso wie für die – scheinbare – Tatsache, dass Männer das lustvollere Geschlecht sind.
    Die führenden Köpfe auf diesem Gebiet gestehen sozialem Lernen oder Konditionierung keine große Wirkung zu. Würde sexuelle

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