Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
im Gehege sie und ihre Kinder gefährdet. Fürchterlich verängstigt klammerten sich die Kleinen an sie und lieÃen sie gar nicht mehr los. »Sie konnte sich wirklich kaum auf den Beinen halten, ohne von ihren Kindern heruntergezogen zu werden«, erklärte Amy Henry, eine Assistentin. »Eines klammerte sich sogar an ihren Schwanz. Sie lieÃen sie einfach nicht los. Sie meisterte das alles würdevoll. Dass es in ihrer Verantwortung lag, ihnen zu versichern, alles sei wieder gut, schien sie zu wissen. Sie war immer ein zurückhaltender Affe. Nur wenn sie Nachwuchs bekommt, wird sie sehr aufgeregt. Und sie ist dann ausgesprochen anhänglich. Ich habe beobachtet, wie sie ihre Tochter sehr lange auf dem Rücken trug, nämlich bis sie ein neues Baby bekam. Das tun nicht alle Affenmütter.«
Aber solange sie sich darauf konzentrierte, Oppenheimer zu verführen, war ihr Mutterinstinkt verschwunden. Sie schien ihr Kind weder zu sehen noch zu erkennen. Immer wieder lieà sie es allein, und es musste ihr hinterherflitzen. Sie kauerte sich vor Oppenheimer und schlug Stakkato mit einer Hand auf den Boden. Diesem unablässigen Klopfen der Rhesusaffen würde es beim Menschen etwa entsprechen, wenn eine Frau den Gürtel eines Mannes öffnet. Trotzdem hatte ihre Geste etwas Zögerliches. »Sie ist vorsichtig, weil alle Weibchen rundherum im Rang über ihr stehen«, erläuterte Wallen. Sollten diese aus irgendeinem Grund nicht wollen, dass sie mit ihm Sex hat, könnten sie und ihre Familien Deidrah beiÃen und zu Tode hetzen.
Wallen hatte in den Siebzigerjahren die Rhesus-Weibchen als Aggressoren beim Sex erkannt, nachdem er ein Ver haltensmuster genauer beobachtet hatte, das ihm schon an der Graduate School aufgefallen war. An seiner Universität hatte man erwachsene Affen paarweise â je ein Männchen und ein Weibchen â in Käfigen von drei mal zweieinhalb Metern gehalten. In einem Labor in GroÃbritannien, von dessen Arbeit er gelesen hatte, waren die Käfige deutlich kleiner. Auf beiden Seiten des Atlantiks hatte man den Weibchen die Eierstöcke entfernt, denn die Wissenschaftler zählten die Kopulationen ohne den Einfluss der Ovarhormone. Wallen, der über die unterschiedlichen Ergebnisse sinnierte, war von der Tatsache fasziniert, dass in dem kleineren Käfig mehr Sex stattgefunden hatte. »Also prüfte ich die Fachliteratur auf eine Reihe ähnlicher Tests in verschieden groÃen Käfigen, und die Proportionalität war ziemlich klar. In den kleinsten Käfigen hatte es am häufigsten, in den gröÃten am seltensten und in den Käfigen mittlerer GröÃe mittelviel Sex gegeben.«
Bald kam Wallen nach Yerkes und beobachtete dort die Rhesusaffen in dem groÃen Gehege â dessen GröÃe natürlichen Bedingungen schon eher entsprach. Dabei kam ihm mit der Zeit der Gedanke, wie die beengten Käfige vieler Experimente dazu beigetragen hatten, die anerkannte Vorstellung der Sexualität von Affen zu formen: indem man die weibliche Rolle herunterspielte und die Wahrheit verzerrte.
Steckte man ein Männchen und ein Weibchen in einen kleinen Käfig, würden die beiden â unabhängig vom Hor monstatus des Weibchens â viel Sex haben. Das lag, wie Wallen erkannte, zum Teil auch daran, dass die Nähe der beiden zueinander die Art von Verfolgung widerspiegelte, die Deidrah betrieben hatte. Diese sexuellen Signale, hervorgerufen durch die beengten Verhältnisse, motivierten die Männchen zum Sex. Dabei schienen diese die treibende Kraft zu sein. Betrachtet man die Rhesusaffen in einer natürlicheren Situation, dann wird Sex fast ausschlieÃlich durch die Nachstellung des Weibchens, ihre unermüdliche Annäherung, ihr Küssen und Streicheln, ihr Klopfen und ihr Verlangen ausgelöst. Ohne ihre Flut von Ovarhormonen, ohne die Aktivierung ihres Gehirns, käme es gar nicht zur Kopulation.
Sind die Weibchen auch bei den meisten anderen Affenarten die treibende Kraft, wenn es um Sex geht? Die Antwort kennt man noch nicht, meinte Wallen. Die Wissenschaft ist hier noch nicht weit genug. Kapuzineräffchen, Tonkean-Makaken, Schweinsaffen â er nannte mir diese drei Spezies, bei denen die Weibchen den Männchen nach stellen. Mit ihren langen, schwingenden Schwänzen und pechschwar zen Gesichtern legen sich auch die Langur-Weibchen mas siv ins Zeug. Unter den bulligen Orang-Utans hat
Weitere Kostenlose Bücher