Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Fleischeslust herrührt, welche bei Weibern unersättlich ist«, wie es in der Doktrin der Inquisition hieÃ, »der Mund des SchoÃes ⦠niemals gesättigt ⦠darum verkehren sie, um ihre Lust zu stillen, sogar mit Teufeln«; über Eva, auf deren Sündhaftigkeit das gesamte Christentum aufgebaut ist, für deren Verfehlung der Sohn Gottes sterben, sich selbst opfern muss, damit die Menschheit eine Chance zur Versöhnung bekommt. So sieht die Grundlage der in unserer Gesellschaft vorherrschenden Religion aus; das ist in unsere kollektive Psyche eingebettet. Ich musste auch an die Monogamie denken: an unsere vage Vorstellung, wonach diese uns vor gesellschaftlichem Chaos schützt, und â als verzweifelte Umkehr unserer Ãngste â dass die weibliche Libido beschränkt ist und Frauen die natürlichen Hüterinnen der Monogamie sind. So schaffen wir es, unsere Ãngste zu bändigen.
Warum hat es die Theorie vom elterlichen Investment, die ihren Anfang in eher obskuren akademischen Veröffentlichungen nahm, im Lauf der letzten Jahrzehnte geschafft, quasi Allgemeingültigkeit zu erlangen, während die Realität unter Affen, die Fakten bezüglich unserer Vorfahren, viel weniger Verbreitung fanden? Wir haben uns wohl die wissenschaftlichen Einschätzungen angeeignet, die uns beruhigen; das, was wir hören wollten.
»Dieses Organ dient einem Lustgott«, lieà Jim Pfaus mich wissen. Er hielt die Plastiknachbildung eines menschlichen Gehirns in der Hand. Der lebhafte Wissenschaftler trug einen Van-Dyck-Bart und einen Ring im Ohr. Sein Fachwissen als Neurowissenschaftler und sein Labor an der Concordia University sind jedes Mal gefragt, wenn groÃe Pharmakonzerne an Ratten ein neues Präparat testen wollen, das ein Aphrodisiakum für Frauen sein könnte â bis jetzt hat allerdings noch keines gewirkt. Sein Labor befindet sich im Keller der Universität. Dort studiert er seine Ratten in verschiedenen Käfigen und entnimmt ihnen auch chirurgisch das Gehirn. (Ein Rattenhirn ist ungefähr halb so groà wie ein menschlicher Daumen.)
Pfaus war fasziniert davon, wie Ratten sehen und fühlen, lernen und lieben, und wenn er zum Beispiel erforschen wollte, welche Gruppe von Neuronen durch eine bestimmte Stimulation aktiviert wurde, etwa durch kopulationsähnliche Berührung des Muttermunds oder durch den erregenden Anblick eines attraktiven Männchens, dann ging er folgendermaÃen vor: Er setzte ein Rattenweibchen genau diesen Bedingungen aus, tötete es, entnahm das Gehirn, fror es ein und benutzte später eine Schneidemaschine, wie man sie in gröÃerem Format aus jeder Metzgerei kennt. Damit erhielt er unglaublich dünne Scheiben, die er anschlieÃend unter dem Mikroskop betrachtete. Winzige schwarze Punkte verrieten ihm, wo zuletzt neurale Aktivität stattgefunden hatte, weil die Zellsignale quasi als Nebenprodukt bestimmte EiweiÃmoleküle erzeugen.
Es ist übrigens einer Frau zu verdanken, dass Pfaus, der in seiner Freizeit Sänger einer Punkbank namens Mold ist, sich überhaupt auf diesen Bereich spezialisiert hat. Bis in die späten Siebziger beschäftigten sich Wissenschaftler nicht mit dem sexuellen Verlangen von Rattenweibchen. Sie bemerkten es nicht, also existierte es gar nicht. Wie bei den Rhesusaffen war man darauf fixiert, was das Rattenweibchen beim Geschlechtsakt selbst tat, nicht darauf, was es tat, um diesen zu erreichen. Und beim Akt selbst erstarrt es. Und zwar in einer Haltung mit durchgedrückter unterer Wirbelsäule und hochgerecktem Hinterteil, damit das Männchen es penetrieren kann. Geschlechtsverkehr unter Ratten erfordert eine Totenstarre des Weibchens. Die war leicht misszuverstehen als absolute Passivität, Willenlosigkeit. Als wäre das Weibchen nur ein GefäÃ, dessen unwillkürlich abgesonderter Geruch das Männchen anlockt. Ãhnliche wissenschaftliche Ignoranz hat unsere Vorstellung von den Weibchen praktisch im gesamten Tierreich geprägt. Der Schlüsselbegriff lautet dabei »Aufnahmebereitschaft«.
Doch dann sorgte Martha McClintock ähnlich wie ihr Kollege Wallen dafür, dass die Wissenschaft genauer hinsah. McClintock hatte sich schon einige Jahre zuvor einen Namen gemacht, als sie noch am Frauencollege Wellesley studierte. Dort hatte sie die These aufgestellt, dass Frauen, die in gewisser Nähe zueinander leben, gegenseitig auf die
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