Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
die Therapeutin ihn zur Arbeit angehalten. Er hatte Töpfe gescheuert, aufgeräumt, die Kinder zur Schule gefahren und wieder abgeholt. Aber danach hatte es keinen Sex gegeben. »Wir erzählen den Männern, sie müssten diesen kleinen Bonsai weiblichen Verlangens gieÃen«, erklärte Meana mir, »wir sagen ihnen, der Bonsai müsse nun mal so behandelt werden â und was passiert dann?«
Sie hatte nichts dagegen, dass Männer die Hälfte der Hausarbeit übernehmen, doch dass sie die Augen verdrehte, wenn von Nähe die Rede war, bedeutete wohl, dass sie als Therapeutin Mitgefühl zwischen Paaren nicht unbedingt förderte. Denn diese Dinge würden allesamt aus den verkrüppelten Extremitäten des Bonsais keinen Baumriesen machen.
Während Meana die Problematik der Monogamie mit ihrer Narzissmus-Theorie erklärte, argumentierte Sarah Blaffer Hrdy, Primatologin und Professorin für Anthropologie an der University of California, mit der Evolution. Ihre Ideen provozierten Evolutionspsychologen, die darauf beharrten, dass Frauen das weniger triebhafte und für die Monogamie eher geeignete Geschlecht seien. Hrdy hatte ihre Karriere mit dem Studium von Languren in Indien begonnen. Bei diesen Affen mit den pechschwarzen Gesichtern, die von einem hellgrauen Pelz umrahmt sind, begehen die Männchen zügellosen Kindermord. Sie stürzen herbei und töten Neugeborene, die nicht von ihnen abstammen. Dasselbe gilt für die Männchen einiger anderer Primatenspezies. Hrdy ist der Ansicht, die weibliche Promiskuität unter diesen Affenarten und unter Pavianen habe sich teilweise als Schutzmechanismus entwickelt, weil sie die Vaterschaft verschleiert. Wenn ein Männchen sich nicht sicher sein kann, welches Kind von ihm ist, wird es weniger anfällig dafür, es umzubringen. Diese Einsicht gilt nicht für alle uns nah verwandten tierischen Vorfahren. Unter den Rhesusaffen neigen die Männchen eher zur Vorsicht, und es kommt selten zu Kindermord. Die Logik der Evolution zusammenzufügen, war ein schrittweise zu vollziehender Prozess, voll mit unvollständigen Mustern und Ursachen, die nicht allgemeingültig waren. Doch mit ihrer Theorie von der Promiskuität als Schutz fügte Hrdy ein bestechendes Element zum Verständnis unserer Vorfahren hinzu.
Neben dieser Theorie entwickelte sie noch eine Idee, die für viele Spezies relevant sein könnte. Dabei geht es um den Orgasmus. Der weibliche Höhepunkt â beim Menschen und, falls es ihn dort gibt, im Tierreich â wurde von vielen Evolutionsbiologen als biologisch bedeutungsloses Nebenprodukt gewertet, quasi die unglückselige Cousine des männlichen Orgasmus, ohne Auswirkung auf die Fortpflanzung. Brustwarzen bei Männern gehören in dieselbe Kategorie; Männer geben keine Milch und brauchen sie daher nicht, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Die Winzigkeit der Klitoris im Vergleich zum Penis hat sicher die Theorie gestärkt, wonach der weibliche Höhepunkt keine Bedeutung im darwinschen Sinne hat, da die Klitoris rein optisch wie ein kümmerlicher Nachklapp aussieht.
Irgendwie hat diese Auffassung auch die jüngste Vermessung der tiefer liegenden zwiebelförmigen Schwellkörper und Schenkel überdauert. Dazu kommt die Länge der Stimulation, die manche Frauen benötigen, um zum Höhepunkt zu kommen, und die ein weiteres Argument geliefert hat. Wäre dieser Vorgang von Bedeutung für die Evolution, dürfte er nicht so schwer definierbar und müsste doch garantiert sein. Insbesondere beim Geschlechtsverkehr sollte er dann leichter zu erzielen sein.
Doch können es die Ausläufer der Klitoris â die über die Vagina zu erreichen sind â, was das von Nerven durchzogene Gewebe angeht, mit dem Penis durchaus aufnehmen. Und was die Langsamkeit betrifft, mit der es zur Ekstase kommt, hat Hrdy das bis dato vorherrschende Denkmodell auf den Kopf gestellt. Ihr Standpunkt ist ein leuchtendes Beispiel für den Wechsel vom männlichen zum weiblichen Standpunkt. Der weibliche Orgasmus könnte demnach für unsere Vorfahren durchaus relevant gewesen sein. Seine Verzögerung, die dazu erforderliche längere Berührung ist da kein Widerspruch, sondern Bestätigung. So sorgte die Evolution dafür, dass Weibchen sich freizügig verhielten, dass sie nach einer Runde Sex gleich zur nächsten übergingen und dabei häufig
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