Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
oder zumindest Schwierigkeiten damit hatten. Ja, gab sie mir recht, es gäbe da diesen Widerspruch in der psychiatrischen Argumentation.
Dann sinnierte sie noch eine Minute lang darüber, wie unsere Träume und Versprechungen von »für immer« unvermeidlich im Widerspruch zu unserer sexuellen Verfassung stehen. »Das hat schon etwas Trauriges«, seufzte sie, »wenn ich an die Frauen denke, die zu mir kommen, an die Paare, die ich kenne, sogar, wenn ich an mich selbst denke.«
Kim Wallen lehnte sich an das Geländer seines Beobachtungspostens, schaute auf seine Affen hinunter, erinnerte sich an die kleinen Käfige, die das Sexualverhalten zwischen Weibchen und Männchen verzerrt hatten, und überlegte, ob die Monogamie sich auf Frauen nicht auch wie ein Käfig â einer von vielen â auswirkte, der ihre Libido beeinträchtigte. Er sprach über die Studie, die bereits Brotto erwähnt hatte: Das Leben Hunderter Frauen war 15 Jahre oder länger dokumentiert worden â ihre Partnerschaften, ihre Biochemie und ihr sexuelles Verlangen. »Die Vorstellung, wonach Monogamie der natürlichen weiblichen Sexualität entspricht, könnte unzutreffend sein«, sagte er.
Marta Meana war sich dessen sicher. »Ich habe Männer im Freundeskreis, die mir von neuen Beziehungen erzählen. Sie sagen dann, noch nie seien sie mit einer Frau zusammen gewesen, die so sexy sei. Sie sind total begeistert. Und dann denke ich mir, Moment mal.« Demnach verbessert die Monogamie die weibliche Sexualität nicht nur nicht, sondern ist für Frauen offenbar auch noch schlechter als für Männer. Es gäbe noch nicht genug Studien zu diesem Thema, meinte sie, aber sie erwähnte eine deutsche Untersuchung zu festen Beziehungen, die ergab, dass das Verlangen der Frauen schneller schwindet.
Ein Grund dafür ist in ihren Augen das narzisstische Bedürfnis. Wenn man sich treu ist, wird das Feuer des Begehrtwerdens immer schwächer; und zwar nicht nur, weil der Partner der Frau sein Interesse verliert. Viel wichtiger schien, dass die Frau den Eindruck hatte, ihr Partner säÃe in der Falle und würde keine Wahl mehr treffen â sich also nicht mehr aus impulsiver Lust heraus für sie entscheiden.
Wie auch Brotto sprach Meana sich nicht gegen Treue oder gegen die Ehe aus. Oft erwähnte sie ihren Ehemann und schilderte voller Bewunderung seine Karriere als Literaturprofessor. Ursprünglich hatte auch sie diese Laufbahn angepeilt. Aber wenn sie ihre Arbeit mit Paaren schilderte, dann machte sie deutlich, wie wenig Erfolg sie sich auf erotischem Gebiet erhoffte, wenn man die Wiederbelebung der Lust zum MaÃstab nahm. In etwa einem Drittel ihrer Fälle konnte sie etwas Schwächeres zurückholen.
Manchmal bestand ihre Methode einfach darin, Sex als Termin zu vereinbaren, egal, ob mit oder ohne Verlangen, wenn es ansonsten überhaupt nicht mehr dazu kam. So wurde sie zu einer Art Ãberwacherin, einer Verstärkung. Das wirkte, als würde sie auf fast schon brutale Weise etwas Verschüttetes ausgraben. »Fuck Night«, nannte eine ihrer Patientinnen das in ätzendem Ton. Eine der verheirateten Frauen, die ich interviewte, betrachtete diese Termine positiver. Das sei wie Sport, sagte sie, weil man zur Mehrheit der Leute gehörte, die eben lieber lesen oder fernsehen. Wenn man aus dem Fitness-Studio käme und »die Endorphine flieÃen«, dann sei man doch auch froh, hingegangen zu sein, selbst wenn man am nächsten Tag nicht wild darauf sei, gleich wieder hinzugehen.
Meana glaubte, dass Therapeuten, die behaupteten, Lust wieder als übliche Stimmung etablieren und bei einem hohen Prozentsatz ihrer Patienten Verlangen wecken zu können, ihre Resultate nicht wirklich streng beurteilen, sich selbst etwas vormachen und auch alle anderen täuschen würden. »Das ist ein groÃes Geschäft â mit Büchern, Workshops. Man könnte jedes Jahr ein Buch voller Versprechungen schreiben und jedes Mal einen Bestseller damit landen.«
Sie erinnerte sich daran, auf einer Konferenz einmal eine freimütige Rede über ihre Erfolgsbilanz gehalten zu haben. Danach sei eine Therapeutin zu ihr gekommen und habe ihr eine weitverbreitete Geschichte erzählt. In ihren Sitzungen hatte eine Ehefrau angedeutet, wenn ihr Mann nur so aufmerksam wäre, ihr im Haushalt zu helfen, dann würde sie ihn auch im Bett wollen. Also hatte
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