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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Krankenschwester und Sexualwissenschaftlerin hatte Anfang der Achtzigerjahre den Bestseller Der G-Punkt. Das stärkste erotische Zen trum der Frau geschrieben. Komisaruk suchte zwar weiterhin allein nach einem Schmerzmittel, aber er tat sich mit Whipple für Experimente in Bezug auf Nervenbahnen und unterschiedliche weibliche Orgasmen zusammen. Letzteres hatte ihn hierher gebracht.
    Â»Jetzt kriegen wir ihn!«, rief er mit den Augen auf dem Bildschirm, während Shanti weitermachte. Die Cluster der Punkte wurden immer dichter.
    Â»Wow!«, rief Wise. »Es ist ein Weihnachtsbaum!«
    Â»Sie bewegt sich schnell«, bemerkte er und hob den Blick kurz vom Monitor zur Probandin.
    Â»Für eine Tantra-Anhängerin«, sagte Wise.
    Shanti stellte sich gerade, wie sie später berichtete, Folgendes vor: »Mein Geliebter berührt mich. Er zeigt jemand anderem, wie er mich berühren soll. Viele Menschen schauen zu. Jungs stehen Schlange, um mich zu streicheln, mich zu lecken. Dann schiebt ein süßes Mannweib ihre Hand unter meinen Rock.«
    Â»Sie ist nah dran«, vermutete Komisaruk. »Das ist die Insula!«
    Shanti hob die freie Hand.
    Â»Das ist ein Popcorn-Hirn!«, assoziierte Wise wegen der vielen Lichtpunkte.
    Doch wie sich herausstellen sollte, war Shantis Termin kein großer Erfolg. Es hatte wohl einige Missverständnisse gegeben, als man sie als Probandin verpflichtete. Obwohl sie ein Erotik-Guru war, gestand sie mir hinterher, dass sie ihrer Ansicht nach in ihrem ganzen Leben noch keinen G-Punkt-Orgasmus erlebt hätte, und sie wusste, dass sie noch nie einen zervikalen gehabt hatte. So hatten ihre Bemühungen mit Komisaruks selbst gemachtem Dildo nicht die von ihm erhofften Daten erbracht.
    Es mag aber auch etwas zu optimistisch gedacht gewesen sein, dass der Wissenschaftler anstrebte, Orgasmen durch Bilder des Gehirns unterscheiden zu können. In den darauffolgenden Monaten gelang ihm das nicht, selbst nachdem er eine Reihe von Probandinnen gefunden hatte, die vielseitiger waren als Shanti. Die dafür nötige Ausrüstung exis tiert wahrscheinlich noch nicht – was er wohl einerseits gewusst haben muss und andererseits vielleicht nicht wahrhaben wollte, als er sich voller Überschwang in diese Studie stürzte. Man konnte zwar einen flüchtigen Blick auf Hirnregionen erhaschen, aber nicht auf das davon erfasste Gebiet und nicht auf die Verbindungen zwischen diesen Arealen. Die identifizierbaren Bereiche waren groß und unermesslich komplex. Die Insula – deren Aufleuchten Komisaruk in Unruhe versetzt hatte – ist ein neurologisches Terrain des Schmerzes und der Lust zugleich. Nachdem alle Probandinnen das Experiment absolviert hatten, konnte Komisaruk bestimmte Stellen im Gehirn nachweisen, die bei einer Berührung von äußerer Klitoris, Scheidenwänden oder Muttermund sofort aktiv werden. Aber von hier ist es noch ein sehr weiter Weg, um die fast unendlich verzweigten Systeme von Ekstase drei verschiedenen Orgasmen zuzuordnen. Diese Systeme umfassen einen Großteil des Gehirns, von vorne bis zur Mitte und von dort bis nach hinten, vom präfrontalen Cortex über den Hypothalamus bis zum Kleinhirn.
    Dafür musste man jedoch auch fest davon ausgehen, dass es überhaupt drei verschiedene Arten von Höhepunkten gibt und dass G-Punkt und zervikaler Orgasmus nicht Hirngespinste allgemeiner Suggestion oder persönlicher Einbildung sind. Um die Erfüllung weiblichen Verlangens herrscht ein Gewirr aus Ungewissheit und ein Durchei nander aus wütenden wissenschaftlichen und politischen Debatten. Das Ganze zeigt, dass im 21. Jahrhundert nicht nur die psychologischen Fragen der weiblichen Lust noch ungeklärt sind, sondern anscheinend auch etwas noch Grundlegenderes: die mechanische Funktionsweise der weiblichen Genitalien.
    Die Auflistung glaubhafter Orgasmen erinnert zugleich auch an den bereits erwähnten Teiresias, der sieben Jahre als Frau gelebt hatte und Zeus und Hera wissen ließ, dass Frauen den größeren Anteil an Ekstase erhalten hätten.
    Die Geschichte hinter Komisaruks Experiment lässt sich bis zu Freud zurückverfolgen. Der Vater der Psychoanalyse, der im Begehren einen essenziellen Bestandteil unserer Psyche erkannte, erklärte, die Stimulation der äußeren Teile der Klitoris – von den zwiebelförmigen Schwellkörpern und den Schenkeln wusste er noch nichts – verhalte sich

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