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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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genießen«.
    Bald zeigte dieses Manifest auch Wirkung in der Sexualforschung. Eine Art klitoraler Absolutismus griff um sich. Mit ihrem Bestseller Hite-Report: Das sexuelle Erleben der Frau erreichte die Sexualwissenschaftlerin Shere Hite in den Siebzigerjahren zig Millionen. Sie erklärte, die Klitoris sei der einzige Ort weiblicher Ekstase. Ob durch die Zunge, Finger oder Berührungen im Zuge des Geschlechtsverkehrs – der Höhepunkt ereigne sich an diesem äußeren Organ.
    Diese Absolutheit wurde zur anerkannten Tatsache und prägte auch das allgemeine Bewusstsein. 1982 veröffentlichte dann allerdings Beverly Whipple, Komisaruks spätere Mitarbeiterin, ihr Buch über den G-Punkt. Sie und ihre Co-Autoren behaupten darin, es gäbe einen Bereich an der vorderen Vaginalwand, der erstaunliche Orgasmen erzeuge. Erstmals begegnete sie diesem Phänomen, als sie als Krankenschwester mit Patienten arbeitete, die Schwierigkeiten mit ihrer Blase hatten. Sie warnte, dass diese Zone nicht leicht zu definieren und bei manchen Frauen schwerer zu finden sei als bei anderen. Manchmal würden G-Punkt- Orgasmen zur Ejakulation führen. Diese Flüssigkeit sei kein Urin, erklärte sie, sondern »erinnere an fettfreie Milch und schmecke süßlich«. Sie benannte diese magische Stelle der menschlichen Anatomie nach dem deutschen Gynäkologen Ernst Gräfenberg. In dessen Jahrzehnte zuvor publizierten, aber in Vergessenheit geratenen Veröffentlichungen hatte sie Beschreibungen eben dieser Zone entdeckt.
    Dabei war Gräfenberg nicht der Erste. Schon im 17. Jahrhundert hatte ein niederländischer Wissenschaftler dieselbe Körperregion erwähnt. Bekannt wurde sie jedoch erst durch Whipple. Ihr Buch wurde in 19 Sprachen über setzt und löste international einen Sturm aus. Kritiker mäkelten, ihre Forschung sei anekdotenhaft und fadenscheinig; sie schicke Frauen auf eine unrealistische Suche in den Vaginalkanal, auf eine geradezu quichotische Reise, um die höhere, gralsgleiche Lust zu finden. Auch warf man ihr vor, unterdrückende Freud’sche Ideale wiederzubeleben und den patriarchalen Sex zu überhöhen. Kurzum, ihre Gegner beharrten darauf, der G-Punkt sei ein Schwindel.
    Allen Mitteln moderner Wissenschaft zum Trotz bleibt die scheinbar einfache anatomische Frage – »Gibt es einen G-Punkt?« – bis heute unbeantwortet. Die Zweifler se hen in dem Phänomen eine Art psychosomatische Wonne. Zum Beweis ziehen sie etwa eine Studie heran, die britische Wissenschaftler kürzlich durchgeführt haben. Dazu wurden Fragebögen an Tausende weibliche Zwillingspaare verschickt, und zwar sowohl an ein- wie an zweieiige. Falls der G-Punkt existiert, so die Hypothese, falls er wirklich eine Stelle im Gewebe ist und nicht nur Einbildung, dann müssten eineiige Zwillinge, deren Anatomien fast perfekte Kopien voneinander darstellen, diesen doch mit größerer Wahrscheinlichkeit beide aufweisen als zweieiige Zwillingsschwestern. Die Zwillingsstudie folgte einem klassischen Muster, wie man es schon oft angewandt hat, um Angeborenes von Erlerntem, Subjektives von Objektivem zu unterscheiden, auch auf anderen Gebieten als der Sexualität. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass die positiven Antworten bei beiden Gruppen gleich häufig waren. »Was für ein Tiefpunkt: G-Punkt ist ein Mythos«, titelte die Londoner Sunday Times . Einer der Wissenschaftler meinte, nun bliebe den Frauen immerhin die Mühe erspart, einer Orgasmus-Fiktion nachzujagen und sich am Ende doch nur unzulänglich zu fühlen.
    Inzwischen haben Whipple und Komisaruk allerdings gemeinsam und jeder für sich Daten gesammelt, die einen anderen Schluss nahelegen. Einige ihrer Belege lieferten Orgasmen von querschnittgelähmten Frauen. Bei weiblichen Ratten wie bei Frauen konnten sie nachweisen, dass vier Nervenbahnen Signale von den Genitalien ans Gehirn übermitteln. Zwei dieser Kanäle verlaufen genau durchs Rückenmark. Ein dritter, der hypogastrische Strang, nimmt einen Umweg und mündet erst ein ganzes Stück über dem Becken, etwa auf der Höhe des Bauchnabels, ins Rückenmark. Ein vierter Nerv, der Vagus, was im Lateinischen »der Umherschweifende« bedeutet, gelangt sogar ganz ohne Kontakt zum Rückenmark bis zum Gehirn.
    Komisaruk und Whipple konnten die Bedeutung dieser mehrgleisigen Nerven-»Karte« beweisen, als sie mit Frauen

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