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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zur vaginalen »etwa wie ein Span Kienholz dazu benutzt werden kann, das härtere Brennholz in Brand zu setzen«. Eine Frau, die sich bei ihren Höhepunkten auf die Klitoris verlasse, sei in Schwierigkeiten, gefangen in einer unreifen Sexualität, körperlich und seelisch eingeschränkt. Orgasmen durch vaginalen Geschlechtsverkehr seien Anzeichen reiferer weiblicher Erotik.
    In einem Punkt bleibt Freud allerdings vage, bei einem physiologischen Problem, das die Sexualforschung nach wie vor erschwert. Er ging nämlich nicht auf das Dilemma ein, dass beim Geschlechtsverkehr manchmal auch die Klitoris berührt, Zug oder Druck auf sie ausgeübt wird. Meinte er also, dass reife, frauengemäße Orgasmen nur innerlich zustande kämen, oder war dieses äußere Ziehen und Drücken für ihn akzeptabel?
    Man kann unmöglich sagen, wie viele Frauen versuchen, sich selbst darauf zu trainieren, Freuds Orgasmus-Standard gerecht zu werden, und welche Interpretation sie dabei anstreben. Marie Bonaparte jedoch, die französische Psychoanalytikerin, der Freud die viel zitierte Frage stellte: »Was will eine Frau eigentlich?«, fühlte sich von Freuds diesbezüglichem Urteil gequält. Aufgrund ihrer Unfähigkeit, durch Penetration zum Orgasmus zu kommen, und weil sie, wie es scheint, Freuds Verdikt anders interpretierte, veranlasste sie in den Zwanzigerjahren Ärzte, bei ihren Patientinnen den Abstand zwischen der Klitorisspitze – also der Klitoris eichel – und dem oberen Ende der Scheidenöffnung zu messen. Sie und die beteiligten Ärzte sammelten im Zuge dessen auch Berichte über die Höhepunkte von Frauen. Anschließend prüfte Bonaparte die Ergebnisse. Sie schloss daraus, dass ihre persönliche Unfähigkeit von den drei Zentimetern herrührte, die ihre Schlüsselstellen voneinander trennten. Zweieinhalb Zentimeter, so folgerte sie aus dem ihr vorliegenden Zahlenmaterial, seien die Grenze. Jeder Abstand bis zu diesem Wert bedeutete für die Frau gute Chancen, durch die Stöße eines Mannes Lust zu empfinden.
    Als Nächstes konsultierte Bonaparte einen Wiener Chirurgen. Von ihm ließ sie die Bänder ihrer Klitoris verkürzen und so ihre Klitoriseichel versetzen. Die Nerven des Organs blieben unbeschädigt, doch ihr Wunsch nach einem Orgasmus blieb unerfüllt. Auch nach einem zweiten Eingriff. Danach sah sie sich zu etwas verurteilt, das sie »Frigidität« nannte. Ihre Forschung setzte sie allerdings fort und dehnte sie sogar auf afrikanische Frauen aus, deren Klitoris rituell beschnitten wurde. Sie fragte sich, ob diese aufgrund der verlorenen klitoralen Empfindung häufigere und bessere vaginale Orgasmen hätten als ihre »europäischen Schwestern«. Um dieser Frage nachzugehen und betroffene Frauen interviewen zu können, freundete sie sich mit Jomo Kenyatta an. Dieser sollte später den Aufstand der Kenianer gegen die britische Kolonialherrschaft anführen. In diesem Befreiungskrieg ging es nicht zuletzt auch um den Erhalt des kenianischen Brauchs der Klitorisbeschneidung.
    Bonaparte scheint ihr Afrikaprojekt wieder aufgegeben zu haben, ohne dass sie nennenswerte Belege für die eine oder andere These gesammelt hätte. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts änderte sich die wissenschaftliche Doktrin ohnehin. Kinsey, der Tausende von Frauen interviewte, sowie Masters und Johnson, die Frauen beim Sex und bei der Selbstbefriedigung in ihrem Labor beobachteten, zogen die Existenz des vaginalen Orgasmus an sich in Zweifel. 1970 veröffentlichte die feministische Autorin Susan Lydon ein Klitoris-Manifest. Darin hieß es, Männer hätten »weibliche Sexualität schon immer so definiert, wie es ihnen am ehesten zugutekam. Wenn die Lust einer Frau über die Vagina erzeugt wird, dann ist sie vollkommen vom erigierten Penis abhängig … sie könnte ihre Befriedigung nur als Begleiterscheinung erhalten, während der Mann nach seiner eigenen strebt.« Sie verkündete weiter: »Die Definition normaler Sexualität als vaginal ist mit anderen Worten ein Teil der Unterdrückung der Frauen; das unterwirft sie sexuell wie auch ökonomisch, sozial und politisch.« Durch die angemessene Wertschätzung der Klitoris jedoch sei »die Frau auf lange Sicht in der Lage, den ersten Schritt in Richtung ihrer Emanzipation zu tun, um die Formen ihrer eigenen Sexualität zu definieren und zu

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