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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Die Bemühungen der pharmazeutischen Industrie vor diesen Mitteln, die unermesslichen Millionen oder Milliarden, die man in die Forschung gesteckt hatte – in dieses Rennen um ein Medikament, das die Monogamie rettet. Das war der wichtigste Anspruch, der Markt mit der größten potenziellen Amortisation.
    Â»Ich möchte nur eines wissen«, fragte eine Frau am Ende ihres Interviews, in dem sie den Mann beschrieben hatte, den sie die letzten sieben Jahre geliebt hatte, »wird diese Medizin funktionieren? Bekomme ich mein Feuer, meine Leidenschaft zurück?«
    An einem Abend im Mai vor zwei Jahren saß Wendy mit ihren Nachbarinnen im Garten vor ihrem Haus. Hinter den Frauen standen ihre Backsteinhäuser, still und beschaulich. Neben ihnen stand ein Feuerkorb, um im Übergang zwischen Frühling und Sommer für etwas zusätzliche Wärme zu sorgen. Die Fenster in den oberen Stockwerken standen zum Lüften offen. Die Kinder spielten auf einer Schaukel hinter Wendys Haus, die Ehemänner waren bei einem Baseballspiel der Orioles, die Frauen nippten an Weingläsern.
    Plötzlich ging ein Piepser an, erst schwach, dann lau ter, eindringlicher, und störte die Ruhe der Vorstadt. Wen dys unmittelbare Nachbarin sprang auf. Die Studie, an der Wendy und zwei andere der Frauen damals teilnahmen, funktionierte ein bisschen anders als die von EB . Jeden Tag mussten elektronische Tagebücher aktualisiert werden, in denen man über Geschlechtsverkehr und Gefühlslage Auskunft geben sollte. Jedenfalls stürmte Wendys Freundin ins Haus, um den automatischen Alarm des Geräts abzuschalten, bevor die ganze Nachbarschaft davon aufgeschreckt würde. Sie nahmen Flibanserin. Für das Unternehmen dokumentierten sie die Wirkung und unterhielten sich untereinander – und mit ihren anderen Freundinnen, die um das Feuer saßen und ihre Fortschritte verfolgten – darüber, ob das noch in der experimentellen Phase befindliche Medikament funktionierte. Gemeinsam spekulierten sie über die Wahrscheinlichkeit, dass zwei von ihnen oder womöglich alle drei ein Placebo bekämen. An Abenden wie diesen oder morgens beim Kaffee, nachdem sie ihre Kinder in die Schulbusse gesetzt hatten, waren sie sich einig, dass, was immer man ihnen gegeben hatte, jedenfalls kaum Wirkung zeigte. Immerhin meinte eine von ihnen, es wäre möglich, dass sie anfing, etwas zu spüren.
    Intrinsa und Libigel, Flibanserin und Bremelanotid gehörten zu den abgelehnten Medikamenten vor Lybrido und Lybridos. Intrinsa und Libigel, ein Pflaster und eine Salbe, lieferten Testosteron – und abgesehen von der Ablehnung durch die FDA waren sie auch Lektionen darin, wie wenig die Wissenschaft bislang über die Biochemie weiblicher Lust in Erfahrung gebracht hat.
    Irgendwie, durch Mechanismen, die man erst vage begreift, bereitet Testosteron die Bildung, Ausschüttung und Weiterleitung von Dopamin vor, dem Botenstoff des Gehirns für unbedingtes Wollen. Diese Vorbereitung geschieht direkt am Hirnstamm in der Umgebung von und im mandelgroßen Hypothalamus, der für grundlegende Bedürfnisse und Körperfunktionen zuständig ist – Hunger und Durst, Verlangen und Körpertemperatur. Intrinsa und Libigel versuchten, die Dopamin-Ausschüttung zu beeinflussen und die Lust auf Sex dadurch zu steigern, dass mehr Testosteron über den Blutkreislauf ins Gehirn gelangte.
    Den Dopaminspiegel direkt hochzujagen, ohne dafür Testosteron zu verwenden, kann Probleme auslösen. Die Methoden dafür sind nicht ausgereift; es kann zu einer Überreaktion des Gehirns kommen, zu Ausfällen in der Motorik, heftiger Übelkeit, auch besteht die Gefahr von Abhängigkeit, wenn man zu oft große Mengen verabreicht. Pfaus erklärte mir zudem, Testosteron wecke noch auf andere Weise Verlangen, nämlich, indem es andere entschei dende Neurotransmitter beeinflusse. Wenn man all das bedenkt, klingt die Gabe von zusätzlichem Testosteron zunächst wie ein vielversprechender Ansatz. Doch es gab unergründliche Komplikationen. Diese waren in gewissem Ausmaß sogar bereits vor der Entwicklung und den Tests von Testosteron als Aphrodisiakum bekannt. Ob es daran lag, dass Testosteron doch nicht der wichtigste Auslöser ist, wie manche Wissenschaftler meinen, oder daran, dass zu viele andere biochemische Vorgänge mit im Spiel sind – jedenfalls stellte sich das Rätsel wie folgt dar:

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