Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Und Andrew Goldstein bestätigte mir, wie gut sich Trockenheit und Gewebeschwund mit Ãstrogenpräparaten behandeln lassen, mit niedrigen, sicheren Dosierungen. Das stellt die Gleitfähigkeit wieder her, regeneriert das Gewebe, aber die Libido kann man damit nicht zuverlässig wiederbeleben. Hartnäckig entziehen sich die Wirkungen der Hormone unserer Logik. Manchmal scheint es, als würde sich die Lust selbst vor der Wissenschaft verstecken.
Goldstein kam noch einmal auf Testosteron zu sprechen. Er gehörte zu den Tausenden von Ãrzten, die es ohne Zulassung verschreiben und sich so über das Gesetz hinwegsetzen. Bereitwillig gab er das zu, denn er fand, er müsse für seine Patientinnen sein Möglichstes tun. Die Frauen kamen zu ihm, nachdem der Hausarzt oder andere Gynäkologen sie diesbezüglich abgewiesen hatten. »Wenn ich nur fünf Cent für jede Patientin bekäme, deren Arzt ihr geraten hat, trinken Sie doch einfach vorher ein Glas Wein â¦Â« Er verschrieb das Hormon Frauen jeden Alters, aber natürlich nicht wahllos. Vielmehr wendete er seine eigenen Kriterien und seine Intuition an, um zu erahnen, wem es nützen könnte. Er achtete auf niedrige Testosteronwerte im Blut, auch wenn er wusste, dass die an sich kaum Rückschlüsse erlaubten. Er wägte die Geschichten ab, die er in Gesprächen erfuhr, und achtete auf das Fehlen erotischer Träume. Das war seiner Ansicht nach ein vielsagendes Zeichen: wenn Sex aus dem Unterbewusstsein verschwand. So trug er Hinweise zusammen und folgte seinem Instinkt. Eigenen Schätzungen zufolge konnte er auf diese Weise mehr als der Hälfte der Frauen helfen, denen er das Hormon verabreichte. Allerdings blieben auf diese Weise immer noch viele seiner Patientinnen unerklärlicherweise ohne Abhilfe. Dazu kamen noch diejenigen, die sich seiner Einschätzung nach nicht für seine Behandlung eigneten. Weiterhin musste er Träume enträtseln und nach einem System praktizieren, das man kaum systematisch nennen kann.
Dieses Durcheinander, diese Ungenauigkeit, diese Unvorhersehbarkeit prägten auch die jüngste Auseinandersetzung d er FDA mit Testosteron. In Studien mit 1000 Frauen hatte ein Pharmaunternehmen Daten gesammelt, die sein Produkt Libigel befürworten sollten. Das Produkt schien zu funktionieren, einigermaÃen zumindest. Im Durchschnitt steigerte es das Verlangen â wenn auch nicht in dramatischem AusmaÃ. Und trotzdem verstärkte im Test ein Placebo-Gel die Libido genauso wie das echte Produkt. Autosuggestion oder Selbstüberredung schien ebenso wirkungsvoll wie das Medikament.
Um den Feuerkorb sitzend oder nachdem die Kinder in die Schulbusse verfrachtet waren, wurde locker über Flibanserin geplaudert, auch mal der eine oder andere Scherz gemacht, wie es eben Wendys Art war. Doch wenn ihre Freundinnen gegangen waren, beschlich sie ein Gefühl von Hilflosigkeit, eine Vorahnung, dass es ihr nicht gelingen würde, das zu schützen â tja, was genau? Nicht ihre Ehe, das nicht. Sie vertraute darauf, dass sie und ihr Ehemann in jedem Fall zusammenbleiben würden. Wie sie es ausdrückte, musste die Liebe beschützt werden. Sie benutzte sogar den allereinfachsten Begriff: Glück. Sie kämpfte darum, zu verhindern, dass die Lust mehr und mehr verschwand.
Nach dem College hatte sie ihren Mann in einer Sportbar kennengelernt, beim Kickern mit ihm gelacht, am selben Abend noch mehr gelacht, als er sich über seinen eigenen Tanzstil lustig machte. Das war in New York gewesen, wo sie seit einigen Jahren lebte. Eigentlich hatte sie in den Mittleren Westen zurückgehen, dort heiraten und sich ein eigenes Leben näher bei ihrer Familien aufbauen wollen. Aber mit ihm fühlte sie sich so unbeschwert, hatte das Gefühl, ganz sie selbst sein zu können, was neu für sie war. Sie bewunderte es, »dass er Spaà machen konnte, ohne dass es auf irgendjemandes Kosten ging«. Und es gab diese Momente, die fast zu banal sind, um sie zu erwähnen. Einmal waren sie abends in eine Videothek gegangen und hatten in einer Gruppe von Leuten darauf gewartet, dass der Angestellte einen Stapel Filme bereitstellte. Als dann endlich der Film auslag, den sie eigentlich haben wollte, hielt sie inne, bevor sie danach griff, sodass jemand anderer ihn sich nehmen konnte. Er sagte hinterher, das habe ihm gefallen, und noch nach all den Jahren erinnerte sie sich an sein
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