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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Patienten zu helfen, nämlich jenen Frauen, deren Antidepressiva ihr Verlangen erstickte. Dann könnte er eines der Rätsel seines Fachs verstehen: Warum die Antibabypille zwar nicht bei allen, aber doch bei einigen Frauen die Sexualität auslöscht. Damit hätte er etwas viel Genaueres als die gegenwärtige vage Idee vom Testosteroneffekt auf die weibliche Libido. Und, was am wichtigsten wäre: Er könnte bei allen Frauen das wiederherstellen, was ihnen ihren Aussagen nach geraubt worden war.
    Eine afroamerikanische Jurastudentin vermochte sich nach fünf Jahren mit ihrem Freund nicht mehr selbst auszutricksen, um ihn immer noch zu begehren, wie sie es früher getan hatte. Sie sah keine andere Möglichkeit, als nun ihn auszutricksen. »Ich benutze ein Gleitmittel, damit er es nicht merkt«, erzählte sie Goldstein, als er sie für die Studie von EB befragte. Eine geschiedene Mutter von drei Kindern spürte, dass sie mit ihrem Freund auf dieselbe sexuelle Gleichgültigkeit zusteuerte, die sie noch vom Nie dergang ihrer Ehe kannte. »Als wir uns trennten«, berichtete sie über ihren Ex-Mann, »kam es mir vor, als erlebe ich eine zweite Pubertät. Also schob ich das, was mir verloren gegangen war, ihm in die Schuhe.« Eine gewisse Mitschuld gab sie auch den Kindern, der Energie, die sie ihr raubten, vor allem auch den allwöchentlichen Therapieterminen für ihren behinderten Sohn. Doch als die Gleichgültigkeit sich erneut einstellte, begann sie an diesen Schuldzuweisungen zu zweifeln und sich zu fragen, ob es vielleicht an ihr selbst lag. Eine Bankangestellte erzählte Goldstein über ihre Vergangenheit, wie sie ihren Ehemann kennengelernt hatte: »Das war am internationalen Flughafen von Nashville.«
    Â»Wieso denn an einem Flughafen?« Solche Details spielten für EB keinerlei Rolle bei der Entscheidung, ob jemand in die Studie aufgenommen werden sollte, aber so ein Arzt war Goldstein nun einmal. Er wollte die Frauen, die ihm an seinem Schreibtisch gegenübersaßen, besser kennenlernen. Selbst wenn sie keine Patientinnen von ihm waren. Selbst wenn sie im Verlauf von einigen Monaten nur wenige Male in seine Praxis kommen würden, um sich Tabletten abzuholen und Folgefragen zu beantworten. Selbst wenn er sie danach nie mehr wiedersähe.
    Â»Ich war Screener bei der Sicherheitskontrolle«, erzählte die Bankangestellte. »Ich ging damals noch aufs College und jobbte dort. Ich kam in meiner Uniform aus der Mittagpause, und er starrte mich an. Ich sagte, es sei ja nicht besonders höflich, eine Frau so anzustarren, ohne auch nur zu grüßen. Dann drehte ich mich um, und er folgte mir.«
    Â»Offensichtlich hatte er Ihnen etwas zu sagen.«
    Â»Offensichtlich«, sagte sie, und beide lachten.
    Â»Wie lange sind Sie miteinander ausgegangen?«
    Â»Es ging alles extrem schnell. Im Juni haben wir uns kennengelernt und im März darauf geheiratet.«
    Und jahrelang, selbst mit kleinen Kindern, spürte sie dieses Tempo, diese Gewissheit, füreinander bestimmt zu sein. Sie konnte sich auf den Rausch verlassen, der sich einstellte, wenn ihre Körper aufeinandertrafen. Jetzt, mit Ende 30, ging alles langsamer, alles schien irgendwie in die Ferne zu rücken. Oft täuschte sie ihre Höhepunkte nur vor.
    Â»Sind Sie verunsichert, wenn er Anstalten zum Sex macht?«
    Â»Das bin ich.«
    Â»Gestresst?«
    Â»Ich versuche, es mir nicht anmerken zu lassen.«
    Für jede Frau, die an dem Projekt teilnehmen wollte, gab es vielfältige Gründe. Die Anforderungen des Jurastudiums, der behinderte Sohn, ein schlechtes Gewissen, weil man zugenommen hat, eine Myom- OP , die Schäden angerichtet zu haben scheint, obwohl ein Neurologe keine Beeinträchtigung der Empfindungsfähigkeit feststellen kann. »Wenn er an mir herumspielt, wenn er versucht, mich da unten in Fahrt zu bringen, dann spüre ich das nicht. Ich verstehe es nicht«, meinte die Bankangestellte. »Darum muss ich an dieser Studie teilnehmen.« Es gebe immer viele Faktoren, erzählte mir Goldstein. Aber während ich ihm zuhörte, kam es mir manchmal vor, als wäre es nur ein einziger. Da gab es keinen Raub, keinen Diebstahl, da war nichts Gewalttätiges vorgefallen, sondern es war nur etwas zurückgelassen worden. Zeit war vergangen. Das Verlangen war zurückgeblieben. Das war alles. Und das war gewaltig genug.
    Lybrido, Lybridos.

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