Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Selbst wenn man einer Frau über den Blutkreislauf zusätzliches Testosteron verabreicht, bewirkt das nicht zwingend ein gesteigertes Verlangen; umgekehrt löst die Reduzierung des Testosteronspiegels nicht automatisch eine Schwächung der Libido aus.
Goldstein meinte und schweifte dabei fast zu einem Vortrag über hormonelles Chaos ab, dass orale Kontrazeptiva das im Blut enthaltene Testosteron fast auf null bringen könnten. »Bei Frauen, die die Pille nehmen, beträgt der Testosteronspiegel nur ein Zehntel oder ein Zwanzigstel des normalen Niveaus.« Das war nicht immer so extrem. Die Pharmafirmen haben in letzter Zeit den Testosteronspiegel immer weiter gedrückt, um eine verkaufsfördernde Nebenwirkung zu verstärken â die Beseitigung von Akne. Bei vielen Frauen schien die Absenkung des Hormons sich nicht auf das sexuelle Verlangen auszuwirken. Bei manchen erzeugte die Pille sogar Lust. Nach Goldsteins Ansicht lag das wahrscheinlich daran, dass die Frauen sich keine Sorgen um eine Schwangerschaft machen mussten, leichtere oder seltenere Blutungen bekamen und daher öfter Sex hatten. Bei anderen dagegen sorgte die orale Verhütung für den Totalverlust der Libido. Warum litten manche Frauen unter der Absenkung von Testosteron, während andere dadurch überhaupt nicht beeinträchtigt wurden?
Die Menopause sorgte für noch mehr Rätsel beim Thema Hormone. Frauen mittleren Alters und viele der sie behandelnden Ãrzte machten die Wechseljahre für die schwin dende Lust verantwortlich. Als Gegenmittel verordneten Ãrzte Testosteron â allerdings ohne Zulassung durch die FDA , halb legal. Manche Frauen berichteten in der Tat von erfolgreichen Ergebnissen. Dabei sorgt entgegen der weitverbreiteten Meinung, wonach in dieser Lebensphase die Hormonspiegel sinken, die Menopause gar nicht für eine Abnahme beim Testosteron. Sie sorgte sogar für einen gewissen Anstieg. In Wahrheit findet die stetige Abnahme schon lange vorher statt, wenn eine Frau in ihren Zwanzigern und DreiÃigern ist. Das Ausmaà des Tiefstands ist später auch nicht schlimmer, was jedoch bei unzähligen Frauen, die die Pille nahmen, gar nicht bemerkt wurde.
War es überhaupt möglich, aus all diesen Faktoren eine Erkenntnis zu gewinnen? War es möglich, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen physiologischen Bedingungen â etwas so Eindeutigem wie einem Hormonspiegel oder etwas so Komplexem wie der Menopause â und der Libido herzustellen? Möglicherweise mit Ãstrogen. Um die Zeit der Menopause führt Ãstrogenmangel bei manchen Frauen zu Scheidentrockenheit, die das sexuelle Verlangen beeinträchtigen kann. Wenn man solche Frauen allerdings mit einem Plethysmographen testet, während sie sich einen Pornofilm ansehen, dann schieÃt ihre Durchblutung ebenso nach oben wie bei deutlich jüngeren Probandinnen. Das Gewebe erzeugt dabei nur nicht mehr so viel Feuchtigkeit. Demnach sind die psychologischen Leitungen für die Lust also intakt, nur die chemischen Reaktionen, die für die Feuchtigkeit zuständig sind, funktionieren nicht mehr so gut. Es kommt auch vor, dass das Gewebe dünner wird. Das kann natürlich leicht zu Problemen führen: Wenn sich der Verkehr nicht angenehm anfühlt, will eine Frau ihn vermutlich nicht; wenn er sogar schmerzhaft ist, wird eine Frau versuchen, ihn zu vermeiden; in jedem Fall wird eine Frau nicht mehr häufig daran denken; das Verlangen könnte davon zerstört werden. Andererseits ist allgemein bekannt, dass es zahllose andere Varianten von Sex gibt. Trotzdem wird ein Defizit wahrgenommen â schwer festzumachen, aber von immensen AusmaÃen. Wenn der Kopf die Botschaften der Genitalien nicht mehr so deutlich wahrnimmt wie früher; wenn die Kommunikation zwischen beiden sowieso schon dürftig ist. Das haben Meredith Chiversâ Versuche ja deutlich gezeigt: Ihre Probandinnen schienen geradezu taub für das, was ihre Genitalien vermeldeten. Lubrikation, also feucht zu werden, gehört zu diesen Signalen â wenn diese Reaktion nachlässt, dann werden eventuell auch die lustvollen Botschaften schwächer, die Neigung des Verstands, Verlangen zu empfinden, lässt nach, das Hirn und der übrige Körper geraten viel schwerer in eine Spirale der Lust.
Doch da gab es diese australische Studie, wonach, gemessen am Verlangen, neue Beziehungen die Menopause mit Leichtigkeit ausgleichen.
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