Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Klasse sind.« Forscher zweiter Klasse, weil sie nach dem Primären, dem Primitiven, dem Ursprünglichen suchen. Weil es unschicklich ist, dort unten zu sein, im übertragenen Sinne, aber auch wortwörtlich. Und beunruhigend, wenn Wissenschaftler dauernd drohen, Informationen zu verbreiten, die vielleicht Experiment um Experiment, Studie um Studie, Aufsatz um Aufsatz die bisherige Vermutung zerfetzen.
Und zwar die Vermutung, dass männliche Lust quasi ins Tierreich gehört, während die weibliche Sexualität natürlicherweise zivilisiert ist. Ebenso die Ansicht, dass in Frauenhirnen die höher entwickelten Bereiche, die Domänen von Vorausschau und Selbstkontrolle, qua Vererbung so konstruiert sind, dass sie die Libido gekonnt beschwichtigen. Das Gleiche gilt für die Prämisse, wonach emotionale Bin dung für Frauen ein machtvolles und von jeher parat stehendes Aphrodisiakum darstellt. Und schlieÃlich die Vorstellung, dass die weibliche Lust Frauen zur, wenn auch nicht perfekten, Hüterin der Monogamie prädestiniert. Welche gerade aufkeimenden Wahrheiten kommen wohl ans Licht, wenn diese Ãberzeugungen eine nach der anderen widerlegt werden?
Eli Finkel und Paul Eastwick organisierten 15 Speed- Dating-Events mit insgesamt 350 Frauen und Männern. Bei der Hälfte der Veranstaltungen ergriffen die Männer die Initiative. Bei den anderen übernahmen, wenn das Glöckchen ertönte, die Frauen diesen Part. In diesem kurzen Moment, der sich im Verlauf der Stunde mehrfach wiederholte, wurden die traditionellen Rollen einer Beziehung auf den Kopf gestellt. Die veränderten Spielregeln riefen mit einem Mal Erinnerungen an Deidrah, das sexhungrige Rhesusaffen-Weibchen, wach.
Die Wissenschaftler fragten die Teilnehmer nach jeder Vier-Minuten-Begegnung nicht nur nach Ja oder Nein, sondern verlangten auch eine Bewertung der sexuellen Gefühle für das Gegenüber.
Die Ergebnisse waren eindeutig. Die Sozialstruktur â und vielleicht auch ein gewisser physischer Aspekt, der davon beeinflusst wurde, wer die Initiative ergriff â veränderten Wahrnehmungen, Entscheidungen, Lustempfinden. So unwahrscheinlich es auch klingen mag: Der Rollentausch machte sich sofort bemerkbar. Die Zahlen waren eindeutig. Wenn die Frauen diejenigen waren, die an die Tische traten, sagten sie ebenso oft und ebenso wahllos Ja wie sonst die Männer. Und wenn die Frauen es waren, die durch den Raum streiften und sich näherten, waren ihre Bewertungen in puncto Verlangen genauso lustbestimmt. Unter den geänderten Bedingungen wurde â für einen flüchtigen Moment â eine neue Realität sichtbar.
Quellen und Literaturempfehlungen
Hinter diesem Buch steht ein Lektüre-Labyrinth. Da wären zunächst einmal die vielen Bücher in meinen eigenen Regalen: von Richard Posners Kosten-Nutzen-Analyse erotischer Motivation, Sex and Reason , bis zu Karen Horneys Neubewertung Freuds in Die Psychologie der Frau , von einer Sammlung der Biografien von Sexualwissenschaftlern, How I Got into Sex , bis zu Max Wolf Valerios The Testosterone Files, der Autobiografie über seine Verwandlung von einer Frau in einen Mann. Dazu kommen massenhaft Ratgeber von pragmatisch bis spirituell. In die folgende Literaturliste habe ich auch einige Titel aufgenommen, die relevant für die von mir angeschnittenen Themen sind. Dazu kommen noch wissenschaftliche Aufsätze, die viele Details zu der Forschung liefern, die ich beschrieben habe. (Obwohl das, was ich aus diesen Aufsätzen erfahren habe, verschwindend wenig ist im Vergleich dazu, was mir die Gespräche mit den Wissenschaftlern an Erkenntnis gebracht haben.) Aber auf alle Fälle bieten die darin enthaltenen FuÃnoten einen Ansatz für jeden, der sich ins Labyrinth der Sexualwissenschaft aufmachen will, wo ich die letzten acht Jahre verbracht habe.
Ich beginne bei Meredith Chivers, von deren Arbeit in den Kapiteln 1, 2 und 6 die Rede ist. (Als forsche Sexologin und aufmerksame Statistikerin bat sie mich, explizit darauf hinzuweisen, dass der Vergleich der Reaktionen auf Fremde und enge Freunde in Kapitel 2 auf standardisierten Abweichungen im Gegensatz zu den absoluten Werten beruht.)
Ihre relevanten Aufsätze sind:
Chivers, M. L. & Timmers, A. D. (2012). The effects of gender and relationship context cues in audio narratives on heterosexual womenâs and menâs genital and subjective sexual response. Archives
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