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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vielleicht erzeugt er die Nachbildung dessen, was eine Frau vor langer Zeit fühlte, als noch keinerlei derartige Manipulation nötig war – als ein Geliebter noch so neu und spannend war, dass dieser Umstand allein die Biochemie der Lust zum Kochen brachte.
    Anscheinend steht der zerzauste und auf ewig an gebrochenem Herzen leidende Adriaan Tuiten kurz davor, unfassbar reich zu werden. Ein begünstigender Faktor dafür ist: Über 15 Millionen Amerikanerinnen und unzählige Frauen überall sonst auf der Welt sind auf SSRI angewiesen, um ihre Melancholie in den Griff zu bekommen. Einige davon dürften sich an den Studien der nächsten Phase beteiligen. Die massive Erhöhung der Serotonin-Konzentration durch SSRI führte bei den meisten zum unvermeidlichen Verlust der Lust. Das sexuelle Verlangen kann schwach, kaum noch wahrnehmbar werden. Möglicherweise verschlimmert sich das zusätzlich durch die Tatsache, dass Serotonin die körperlichen Mechanismen des Orgasmus stört, indem es Kontraktionen erschwert, sodass der Höhepunkt in immer weitere Ferne rückt, bis er schließlich unerreichbar ist. Bei Frauen auf SSRI würde jede Lybridos-Tablette mit ihrer temporären Serotonin-Blockade der Lust eine Gnadenfrist gewähren.
    Aber wenn Tuitens Denkmodell funktioniert, wenn die mit einer kleinen Anzahl von Frauen in vorläufigen Studien gesammelten Daten sich auch im Rahmen größerer Studien bestätigen, dann hätte er damit ein Medikamentenpaar erfunden, das ein Heilmittel für die Monogamie darstellt. Seine Medizin stellt in Aussicht, die Zeit gewissermaßen um Jahre zurückzudrehen.
    Lust kann uns in ihren intensivsten Momenten aus uns selbst hinauskatapultieren, aus der Welt, aus der Zeit. Sie ist die Chance, vorübergehende Selbstvergessenheit und Besinnungslosigkeit zu erleben. Aber wie wundervoll diese Entrückung auch sein mag oder sein mochte – auf solche Momente wurde verzichtet, auf der Suche nach einer anderen Flucht: um Sicherheit zu spüren, Treue und Beständigkeit, um eine Festung zu bauen, die davor schützt, allein alt zu werden und die Schrecken der Zeit einsam zu ertragen. Ob Tuitens Pillen eine Art Zauber bewirken können, der die Entrückung neben Geborgenheit und Sicherheit bestehen lässt? Der uns beide Arten von Flucht gestattet? Könnten Tuitens Präparate diesen Trick hinkriegen?
    Wendy betete dafür, dass die erste Partie ihrer Tabletten von EB nur Placebos gewesen waren. Aber falls Tuitens Medikamente nicht wirkten, meinte sie, »muss es irgendwas anderes geben. Es gibt doch schon diese ganzen Pillen für all die anderen seelischen Probleme. Da muss doch auch mal irgendetwas auftauchen, das dagegen hilft. Stimmt doch, oder? Oder?!«
    Sie wünschte sich ja nur, dass die Tabletten, die sie jetzt mit nach Hause nahm, das aufhalten und umkehren würde, was sie »den Schwund« nannte. Sie wünschte sich nur, dass die Medizin sie dazu bringen würde, am Fuß der Treppe nach der Hand ihres Mannes zu greifen und ihn nach oben zu ziehen. Sie wollte doch nur, dass die Wirkung von Zeit bedeutungslos würde, dass die Zeit ihrer Lust nichts mehr anhaben konnte.

10
_____
    Ein Anfang
    Die Aufsicht hebt ihren Arm, läutet eine kleine Glocke und ruft: »Die Herren wechseln! Die Herren wechseln!« In der Cocktailbar, die der Veranstalter für diesen Abend angemietet hat, erheben sich alle Männer von den kleinen quadratischen Tischen, wenden sich von den Damen, mit denen sie sich eben noch unterhalten haben, ab und ihrer nächsten Aufgabe zu. Die Frauen warten. Dabei sitzen sie auf einer niedrigen, L-förmigen Couch. In pinkfarbener Bluse mit Rüschenkragen, in figurbetonter schwarzer Strickjacke oder in einem Kleid mit Gazeärmeln. Sie bleiben, wo sie sind, an das schokoladenbraune Polster gelehnt, den Blick aufwärts gerichtet, um zu sehen, wer gleich vor ihnen erscheint. Ein paar Sekunden lang bewegen sich die Männer durch das gedämpfte Licht.
    So funktioniert Speed-Dating. Jede Begegnung dauert vier Minuten, die das helle Glöckchen anzeigt. Am Ende des Abends geben alle Frauen und Männer geheim ihre Bewertungen bei der Speed-Dating-Agentur ab – ein Ja oder Nein zu allen zehn Personen, die sie kennengelernt haben, als Ausdruck ihres Interesses oder Desinteresses. Und jedes Mal, wenn sich zwei für ein Ja entschieden haben, wird der Kontakt

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