Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
beirrt über den Boden. Die ganze Situation war so absurd, so
beängstigend.
Das passiert alles nicht! Es kann nicht passieren, das kann es
einfach nicht...
Es war einfach zu viel. Sie kippte ganz weg.
Kapitel 24
Über ihr flackerte der matte Schein einer losen Glühbirne, die von der Decke
hing. Es war, bis auf dieses Licht, dunkel im Raum. Sie lag im Bett.
Wo bin ich? Was ist passiert? Warum? Warum…Oh mein Gott!
Alles kam plötzlich wieder zurück. Die Schreie, das Knacken von
brechenden Knochen und die letzten Herzschläge einer Unmenge von Menschen…die
Wölfe, der Geruch, den sie verströmten, nach verwestem, verfaultem Fleisch und
Blut. Ihr Magen rebellierte wieder. Verdammt, reiß dich zusammen Ceela. Sie schaffte es, ihren Mageninhalt in sich zu behalten.
Ein leises Knarren. Sie konnte die Entfernung und Richtung
erschließen, da ihr Gehör so viel besser war als ein normales menschliches Ohr.
Die alte Tür, die wahrscheinlichste Ursache eines solchen Geräuschs, befand
sich gut zehn Meter entfernt zu ihrer Rechten. Ein großer Raum, dachte sie
verwundert. Schritte. Kein Holzboden, das würde anders klingen, es war eine
glatte gerade Fläche, vielleicht Fliesen oder etwas in der Art. Mit jedem
Schritt wurden sie lauter. Drei Meter Entfernung. Die nächsten Schritte. Ein
Meter. Die Person stand unmittelbar neben ihrem Bett, atmete langsam und ruhig
ein und aus. Das Herz, regelmäßige Schläge, keine Angst, keine Anspannung.
„Bist du wach?“
Eine bekannte Stimme, sofort wusste Ceela, wo sie war und wer da vor
ihr stand. Miranda. Da sie in der Krankenstation arbeitete, hielt sie sich wohl
auch selbst gerade in einem Bett der Krankenstation auf, schlussfolgerte sie.
Logisch.
„Ja“, sagte Ceela ruhig.
„Sehr gut, hier, trink.“
Ceela spürte, wie eine Tasse ihre Unterlippe berührte. Keramik. Langsam
nahm sie einen Schluck. Kamillentee. Heiß. Sie verbrühte sich fast die Zunge.
Vorsichtig umklammerte sie mit beiden Händen die Tasse, sie war schwach und
musste sich sehr bemühen mit ihren zitternden Händen den Tee nicht
auszuschütten. Miranda setzte sich behutsam auf die Bettkante und fuhr mit
ihrer Hand vorsichtig über Ceelas Schulter. Ein jäher Schmerz durchzuckte
Ceelas Körper und sie zog die Schulter intuitiv weg.
„Du hast dir die Schulter geprellt, bist einfach zu schnell die Treppe
runtergerannt, nichts Ernstes, du bist nur gefallen und wurdest ohnmächtig.“
Das erklärte den Schmerz, der ihr bis eben fast gar nicht aufgefallen
war, doch jetzt wo sie sich bewusst war, dass er existierte, da spürte sie ihn
auch und zwar mit seiner ganzen Härte.
Moment mal…! Von der Treppe gefallen? Was erzählte sie da? Ich wurde
in einen Käfig mit blutrünstigen Bestien gesperrt und die meisten Leute wurden
abgeschlachtet wie Schweine!
„Wann bin ich denn von der Treppe gefallen?“, erkundigte sich Ceela mit
einer Mischung aus Verwirrung und Interesse.
„Gestern, du hast bis heute Abend geschlafen.“
Irgendetwas stimmt hier nicht, ganz und gar nicht…
Sie versuchte vorsichtig mit der Situation umzugehen.
Okay, Ceela, nicht zu schnell! Du weißt nicht, was hier vor sich
geht…
Sie entschied sich, den Käfig nicht zu erwähnen. Sie konnte nicht
riskieren etwas Falsches zu sagen, sie würde in Schwierigkeiten geraten, ahnte
sie vage.
„Ich kann mich gar nicht mehr erinnern…“, murmelte sie leise.
„Ach, mach dir keine Gedanken. Das liegt an dem Schmerzmittel, das ich
dir gegeben habe. Es kann manchmal zu Gedächtnislücken führen.“
Natürlich, klar. Was soll das? Ich, ich kann das alles nicht
glauben, ich…Nein! Das kann nicht sein! Warum weiß sie nichts? Doch sie muss es
wissen, sie muss alles wissen. Sie hat uns gewarnt, doch sie hat uns nicht
gerettet, sie ist genauso schuldig wie alle anderen aus diesem barbarischen
Dorf, an deren Händen das Blut unschuldiger Menschen klebt…
Kapitel 25
Sie wachte schweißgebadet auf. Das vierte Mal heute Nacht. Sie setzte
sich auf und keuchte heftig, dann schluckte sie den Klos in ihrem Hals unter.
Ihre Albträume, geprägt von dem Blutbad, waren unerträglich. Sie konnte im
echten Leben vielleicht nicht sehen, doch nachts, da war alles anders, da
spielte ihre Fantasie verrückt. Bilder, die grausamsten Vorstellungen von dem
Massaker gestern, kehrten immer und immer wieder. Sie wusste nicht was besser
war…in der Realität blind oder sehen zu können? Wenn sie abwog, war sie sogar
froh, dass sie nicht exakt
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