Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
verzweifelt.
Mit einem dumpfen Schlag landete der Knüppel auch in ihrem Rücken. Sie
fuhr zusammen als der stechende Schmerz durch ihren Körper schoss.
Reiß dich zusammen! Reiß dich zusammen!
Ihre eigene Stimme hallte in ihrem Kopf. Sie fiel vornüber und stützte
sich mit den Händen auf den feuchten Waldboden, während eine schmale Spur der
roten Flüssigkeit ihren Rücken von der Platzwunde aus abwärts wanderte. Allein,
dass der Schlag selbst durch den Anorak gedämpft noch eine solche Wucht hatte,
dass ihre Haut aufplatzte, ließ auf die Statur des Mannes schließen.
„Steht auf!“
Langsam erhob sich Jay, hob Ceela zu sich und stellte sie sicher neben
sich ab, hielt ihren wackeligen Körper fest.
„Lauft!“
Jay schnaubte, schob Ceela vor sich und spuckte verachtend vor die Füße
des Mannes. Dann hörte Ceela nur wie weitere Schläge in Jays Rücken landeten.
Bei jedem dumpfen Geräusch zuckte sie zusammen. Dann wehrte sich Jay. Mit einem
gezielten Fausthieb brach er dem Mann die Nase.Ceela fühlte wie die
Luft neben ihr zischte, als seine Hand neben ihrem Ohr nach vorne schoss, dann
ein verräterisches Knacken. Die Nase war definitiv gebrochen.
„Komm wir gehen“, schnaufte Jay ein wenig erschöpft.
Er unterdrückte den sengenden Schmerz, der sich über seinen ganzen
Rücken ausbreitete. Er packte Ceelas Hand und führte sie schnell durch den
Wald, fort von dem Mann, fort vom Kampf. Vom ersten Kampf…
Kapitel 27
„Ceela! Jay!“ Grace‘s übertrieben fröhliche Stimme drang zu ihr. Sie
standen vor den verschlossenen Toren des Trainingsplatzes. Hastig eilte Grace
zu den beiden.
„Na.“ Mehr brachte Ceela nicht raus. Der Schock von eben saß ihr noch
tief in den Knochen.
„Geht’s dir wieder besser? Der Sturz sah ziemlich heftig aus…“
Du hast ihn gesehen…den Sturz? Aber ich bin doch gar nicht gestürzt…
„Äh, ja. Geht mir wieder gut.“ Sie versuchte ein Lächeln zu täuschen,
doch ganz gelang es ihr nicht und so zog sie schief die Mundwinkel nach oben.
Das genügte, hoffte sie zumindest.
Was geht hier vor sich…?
„Kommt ihr beiden, wir sollten zu den anderen.“
Die drei liefen zügig auf das Tor zu und schritten hindurch. Vor ihnen
lag ein normales Waldstück, das von weiten Mauern umschlossen war.
Das hab ich doch alles schon erlebt…
Dieselben alten Bäume, derselbe feucht-modrige Geruch, dieselbe weiche Erde.
Während sie langsam auf die Gruppe Ropeys zusteuerten, die sich in der Mitte
des Platzes befand, wie eingepferchte Kühe standen sie alle auf einem Haufen,
wagte sie einen Versuch:
„Jay, kommt dir das nicht bekannt vor?“ Sie versuchte es beiläufig zu erwähnen
und möglichst wenig betroffen zu gucken. War klar wie das ausging…
„Was meinst du, Ceela? Klar es sieht aus wie der Wald davor, also
insofern keine Veränderung, falls du das meinst…“
Sie seufzte.
„Nein, das meine ich nicht. Ich meine…ach ich weiß nicht. Es ist
nur, mir kommt hier alles so bekannt vor, wie ein Déjà-vu, verstehst du? Als
wäre ich schon einmal hier gewesen…Geht dir das nicht genauso?“
„Nein, Ceela. Wir waren hier noch nie. Du bist einfach noch verwirrt
von dem Sturz. Gib deinem Verstand ein paar Tage sich wieder neu zu ordnen.“
„Willst du sagen ich bin verrückt?!“ Wütend schnaubte sie.
Was soll das?! Ich weiß, was ich gesehen habe! …oder?
„Nein, nein! Ich will einfach nur sagen, du könntest dich auch irren,
weil du ziemlich heftig auf den Kopf gefallen bist und deswegen noch ein wenig
neben dir stehst.“
Er denkt ich bin verrückt! Aber ich bin nicht verrückt! Nein, ich
habe das alles erlebt. Er muss sich doch erinnern! Oder…?
„Aber Jay! Wir waren hier schon einmal und da waren Wölfe und dann
waren da Tote und Blut und…“Sie überschlug sich mit den Wörtern und keuchte vor
Fassungslosigkeit und Verzweiflung.
Er packte sie an den Schultern, schüttelte sie kurz und hielt sie dann
fest, aus Angst sie könnte umfallen, würde er seinen Griff lösen.
„Ceela! Ceela, beruhig dich. Alles ist gut!“
Nein! Nichts ist gut! Absolut nichts!
„Hey, komm schon, Ceela. Du hast einfach nur schlecht geträumt“, flüsterte
er.
Nein! Ich hab nicht geträumt…! Ich hab das doch alles erlebt. Ich,
ich bin nicht verrückt…! Du erinnerst dich nur nicht…es ist passiert. Bitte,
bitte …das kann doch nicht wahr sein. Es war kein Traum…
Sie hätte am liebsten losgeheult, doch sie musste sich zusammenreißen.
Wie so oft.
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