Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
und dann auf der Stelle starb.
Der Wolf riss ihm den Arm ab und nagte das Fleisch von dem Knochen. Kleine
Fetzen blieben in seinem blutroten Gebiss hängen. Das dickflüssige Rot bildete
einen unförmigen Kreis um die Leiche, die Überreste eines kleinen Jungen, er
hätte nicht sterben dürfen.
Nein! Nein! Nein!
Grace hatte die Hände zu Fäusten geballt, doch sie konnte sich immer
noch nicht bewegen. In ihrem Kopf spielte sich die Szene in Dauerschleife ab.
So langsam schwebte der Junge in der Luft, bis ein dunkler Schatten ihn zu
Boden warf und alles Rot wurde, sie sah nichts mehr außer das aufgerissene
abgenagte Fleisch vor sich und den überbleibenden Knochen.
Das kann nicht sein! Nein! Warum er?
Ihr Herz raste und ihr Blutdruck stieg kontinuierlich an. Der Alte war
verschwunden.
Doch eins hatte Grace sich geschworen. Sollte dieser Mann lebend aus
dem Gemetzel kommen, dann würde sie ihn töten. Sie hatte noch nie einen
Menschen getötet und sah sich auch nie in der Lage dazu. Doch wenn sie sich bei
einem Menschen sicher war, dass er absolut kein Recht mehr darauf hatte zu leben,
dann war er es. Wenn sie sich bei einem Menschen sicher war, dass er den
Tod verdient hatte, dann war er es. Wenn sie sich bei einem Menschen
sicher war, dass sie sich schwor ihn irgendwann persönlich zu töten, dann war er es und was sie sich schwor, das brach sie nie…
Kapitel 23
Es war soweit. Wie würde es sein zu sterben? Ceela wusste es. Sie war
schon einmal gestorben. Doch sie wurde zurückgeholt, ihr wurden weitere Jahre
geschenkt, doch das war nicht gerade ein Geschenk. Der Preis für das Leben war
das Überleben und das war nicht einfach, und schön war es erst
recht nicht. Doch jetzt, da wusste sie es, jetzt würde es endgültig vorbei
sein. Jetzt würde sie sterben, unwiderruflich das Leben hinter sich lassen.
Manche sagten, man würde während dem Sterben sein ganzes Leben an einem
vorbeiziehen sehen, doch so war es nicht. Diese bildhafte Vorstellung von dem
sanften Übergleiten ins helle Licht, während man durch einen Tunnel von
Erinnerungen rauscht, war nichts als eine erfundene Traumvorstellung. Der Tod
war dunkel, schwarz, einsam. Unter den unermesslichen, quälenden Todesschmerzen
kehrte man in ein schwarzes Loch, während man sich die Seele aus dem Leib
schrie und einfach nur noch loslassen wollte, damit diese abartigen Schmerzen
endlich ein Ende haben würden, und dann irgendwann, dann spürte man nichts
mehr, das dunkle Loch zog einen hinein und man glitt in die Starre des Todes.
Die dunkle Trauer und Einsamkeit überwogen und man war am Ende angekommen, die
grausame neue Ewigkeit. Einsam versunken in tiefer Trauer und unerfüllten Träumen.
Was würde man alles geben, um wieder leben zu können, egal wie das Leben
aussah…
Es schein festgeschrieben, sie war bereit zu sterben.
Sie tat einen letzten Atemzug, kostete das Leben mit einem letzten
Atemzug aus. Sie versuchte sich ein friedliches weißes Licht vorzustellen, um
dem eigentlichen schwarzen Engel zu entkommen, doch das musste sie nicht. Es
war nicht so, wie es hätte kommen können, es war nicht so, wie es eigentlich
sicher war. In der blitzartigen einen Sekunde änderte sich alles. Langsam,
vorsichtig drehte sie den Kopf. Sie war nicht tot, nichts war passiert. Sie
lebte, sie drehte sich immer weiter, bis sie schließlich fast auf dem Rücken
lag und dann, dann blickte sie auf die Schwärze über sich. Sie spürte den
warmen Atem des Wolfes. Ein großer zotteliger Kopf erschien über ihr, ohne den
grausamen Geruch von vergammeltem Fleisch und dem blutverschmierten Fell, ein
reiner dunkler Wolfskopf blickte zu ihr herab, nicht bedrohend, nicht
bestialisch hungernd nach Menschenfleisch, sondern mehr wie ein schüchterner
Welpe. Die bernsteinfarbenen Augen leuchteten im matten Nebel.
Was ist los? Warum tötet er mich nicht? Wie kann das sein?
Sie und der Wolf verharrten ganz ruhig, während um sie herum
blutverschmierte Gliedmaßen durch die Luft geschleudert wurden und Menschen in
Stücke gerissen wurden, Blutlachen über den Boden liefen und ein Irrer es sogar
geschafft hatte einen Wolf mit einem Feldmesser zu erlegen und nun mit dem
abgehackten Wolfskopf durch die Gegend rannte, ehe ein zweiter Wolf ihn
abpasste und mit einem gezielten Biss die Kehle aufriss. Sofort war der Mann
tot, fiel zu Boden, seine Augen waren noch starr geöffnet, während der Mund
einen stummen Schrei formte. Der Wolfskopf löste sich aus seiner Hand und
kullerte
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