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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Draht zur Staatsanwaltschaft hatte, wider Erwarten fand die Verhandlung nun doch in München und nicht in Wiesbaden beim BKA statt, und ihr Vater würde nicht nur als Zeuge, sondern auch als Nebenkläger auftreten.
    »Krallinger ist geschickt worden. Ich glaube, für das, was er getan hat, wird er nicht verurteilt.«
    Sie spürte, worauf das hinauslief. Ihr Vater spekulierte seit Wochen, ob Krallinger, wie Krallinger und warum Krallinger, und darüber jetzt zu diskutieren würde die ganze Fahrt dauern. Mit anderen Worten: Er käme mal wieder davon. Carina bog auf die regennasse Autobahnauffahrt Richtung Garmisch, wechselte auf die linke Spur und gab Gas. Das würde sie nicht zulassen.
    »Du kannst in den fünften schalten.« Matte klopfte auf das Armaturenbrett, als wollte er einen Gaul beruhigen. »Ist besser fürs Getriebe.«
    Als die Achtziger-Zone hinter ihr lag, überholte Carina Wagen für Wagen. Nach einer Familienkutsche mit Surfbrettern auf dem Dach scherte sie ein und drosselte das Tempo. Plötzlich war keiner mehr vor ihnen, sie hatte alle abgehängt. Das bedeutete freie Sicht und Zeit zum Fragen. Sie holte tief Luft. Er sollte ihr einfach alles sagen, alles von Anfang an und den ganzen Rest. Matte richtete sich auf und drehte das Radio wieder lauter.
    »Shine on« erklang. I could use the same old lies, but I’ll sing.
    James Blunt dehnte dieselben alten Lügen über zwei Takte, das passte, dachte Carina. Hoffentlich versuchte ihr Vater es jetzt nicht mit Singen. Sie schaltete das Radio aus. »Erzähl mir von ihr«, fing sie an. »Wer ist meine Mutter, wie habt ihr euch kennengelernt, warum hat sie mich loswerden wollen?«
    »Sie hat dich nicht loswerden wollen.«
    »Ach, nicht?« Hundertzwanzig Stundenkilometer, hundertdreißig. Die Fahrbahn war trocken, anscheinend war das Gewitter nur über München niedergegangen. Sie beschleunigte weiter, als neue Wagen in Sicht kamen. »Wie nennt man das sonst, wenn eine Mutter ihr Kind weggibt und sich nie mehr meldet, über dreißig Jahre lang? War sie Fallschirmspringerin und hat mich nach der Geburt irgendwo abgeworfen?« Sie überholte und gab weiter Gas. Ihr Vater presste sich in die Rückenlehne und trat in die Fußmatte. »Wie wäre es, wenn du mir einfach alles über sie erzählst, gleich hier und jetzt.« Carina schrie es fast. Dabei hatte sie sich vorgenommen, ganz ruhig zu bleiben. Etwas Schwarzes weit vorne raste auf sie zu. Eine Kamikaze-Fliege, dachte sie noch und richtete sich im Sitz auf, als auch schon ein Mini Cooper auf sie zuschoss.
    Matte griff ihr ins Lenkrad und riss es herum. Der Ford schlenkerte, Carina knallte mit dem Kopf gegen die Seitenscheibe, ihre Brille verrutschte. Das junge Gesicht des Fahrers, als die Wagen aneinander vorbeiwischten, brannte sich auf ihre Linse. Augen und Mund weit aufgerissen, wie zu einem Schrei. Dann war er an ihnen vorbei, so nah, dass sie glaubte, die beiden Karosserien hätten Funken gesprüht. Sie starrte in den Rückspiegel. Ein roter Volvo befand sich noch auf der linken Fahrspur, versuchte hektisch auszuweichen und drehte nach rechts. Der Mini schrammte seinen Kotflügel und prallte ab, kreiselte um sich selbst und überschlug sich dann. Auch der Volvo schlingerte und preschte auf die Böschung zu. Carina bremste auf dem Seitenstreifen. Erst jetzt merkte sie, wie ihr Herz raste. Um ein Haar wären sie mit dem Geisterfahrer zusammengestoßen. Entschlossen schluckte sie das aufsteigende Frühstück hinunter, schob den Bügel ihrer Brille wieder aufs Ohr und rieb sich die pochende linke Schläfe. Das gab eine Beule.
    Hellwach und ohne zu zögern drückte ihr Vater auf die Freisprechanlage und verständigte den Notruf.
    »Wir müssen da hin«, sagte er. »Los, lass mich ans Steuer.« Er schnallte sich die Hose zu, drängte Carina auszusteigen und hievte sich, als gäbe es seine Verletzung gar nicht, über den Schalthebel auf den Fahrersitz. Kaum war Carina ums Auto herumgelaufen und auf der Beifahrerseite eingestiegen, legte Matte den Rückwärtsgang ein und fuhr auf der Standspur in Richtung der Unfallstelle. Jetzt war sie es, die sich am Fenstergriff festklammerte; sie fühlte sich wie in einem Waggon der Wilden Maus auf dem Oktoberfest. Sie zwang sich, nicht an den Autounfall in Mexiko zu denken, und ignorierte ihren blubbernden Magen. Auto fahren war wieder selbstverständlich geworden, hatte sie noch bis vor wenigen Minuten gedacht. Und es war fast, als könnte Matte zaubern und hätte sich diese

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