Die Versuchung
trauern“, sagte er mit einem Blick auf ihr schwarzes Kleid.
„Wie kannst du nur so reden?“, sagte Isabelle vorwurfsvoll. „Bist du bei Caroline gewesen?“
„Ja.“
Hamilton verließ das Zimmer, um Madame Ludwig und Sophie zu holen, aber sie bestanden darauf, dass sie jetzt einen Kuchen backen müssten. So ging er schließlich allein in den Salon zurück – und fand Isabelle in den Armen ihres Cousins. Sie wehrte sich nicht, sie schien wie betäubt, während Raimund sie leidenschaftlich küsste. Endlich stieß sie ihn heftig von sich und rief: „Geh, ich hasse dich!“
„Du hasst mich? Lass mich das noch einmal hören, Isabelle!“, sagte Raimund, offensichtlich betroffen.
„Nein … nein, ich hasse dich nicht, aber … ich wünschte, du hättest das nicht getan“, sagte sie mit zitternder Stimme.
„Ich hoffe, dass du mir dieses letzte Vergehen verzeihen wirst“, erwiderte Raimund. Er nahm ihre Hände, sah sie lange und eindringlich an und verließ den Salon, ohne Hamilton auch nur eines Blickes zu würdigen, der äußerlich regungslos wieder auf dem Sofa Platz nahm und kaum bemerkte, dass Isabelle neben ihm stand.
„Das war die Erfüllung des Versprechens, das ich ihm auf dem Ball gegeben habe“, sagte sie schließlich mit leiser Stimme. „Ich wusste, dass er um jeden Preis Streit mit Ihnen gesucht hat – hätte ich nicht nachgegeben, hätte er Sie womöglich zum Duell gefordert. Das konnte ich nicht zulassen.“
Hamilton sah sie überrascht an, aber er zweifelte keine Sekunde, dass sie die Wahrheit sagte. Sie hatte ihn nicht nur nicht unnötig quälen wollen, sie hatte sich in Wirklichkeit sogar für ihn geopfert. Diese Erkenntnis traf ihn so heftig und so unerwartet, dass er stumm blieb, obwohl er ihr am liebsten auf der Stelle eine Liebeserklärung gemacht hätte. Er suchte krampfhaft nach den passenden Worten für eine solche Situation und sagte schließlich: „Ich bin mir ganz sicher, dass ich Ihnen ab heute blind vertrauen kann.“
Gegen halb sechs verließen vier vermummte Gestalten die Rosenbergsche Wohnung. Wenig später sprang ein Mann die Treppe hinauf und klopfte heftig an die Tür. Walburga blickte vorsichtig durch die vergitterte Öffnung und öffnete, als sie Graf Raimund erkannte.
„Wohin sind die jungen Damen gegangen? Ich habe sie vor ein paar Minuten das Haus verlassen sehen.“
„Ich glaube, sie sind zu Madame Berger gegangen, um dort den Abend zu verbringen.“
„Haben sie nicht vielleicht gesagt, dass sie zum Maskenball gehen wollen?“
„Nein, davon haben sie nichts gesagt. Aber Madame Ludwig hat den Hausschlüssel mitgenommen und gesagt, dass ich zu Bett gehen könne, wenn sie um zehn Uhr noch nicht zuhause wären. Deshalb bin ich fast sicher, dass sie zum Maskenball gehen wollen, und Fräulein Sophie hätte es mir ruhig im Vertrauen sagen können, ich würde es schon für mich behalten.“
„Nun, vielleicht gehen sie auch nicht dorthin“, sagte Raimund leichthin und verabschiedete sich. Natürlich wusste er, wo Doktor Berger wohnte. Er wartete auf der anderen Straßenseite, bis er fünf schwarze, maskierte Gestalten aus dem Haus kommen und in eine Kutsche steigen sah.
Es war noch früh, als sie am Theater ankamen, aber das Haus war bereits voller Menschen, die Logen waren gut gefüllt. Sophie klammerte sich ängstlich an Hamiltons Arm, als sie von Maskierten umringt wurden; Madame Berger und Madame Ludwig lachten und plauderten unbeschwert. Isabelle schien zunächst heiter und unbesorgt, bis sie bemerkte, dass sich ihnen zwei unbekannte Masken angeschlossen hatten, die entschlossen schienen, bei ihnen zu bleiben; eine davon war als junger Orientale verkleidet und schien besonders an Olivia Berger interessiert, während die andere ganz in Schwarz gekleidet war und Isabelle wie ein Schatten folgte.
„Es ist bestimmt viel angenehmer, von oben zuzusehen“, bemerkte sie schließlich, „dort ist weniger Gedränge und man kann sich besser unterhalten.“
„Wenn es noch freie Logenplätze gibt und Sie lieber dort oben wären, dann werde ich versuchen, welche zu bekommen“, sagte Hamilton.
„Oh, vielen Dank! Lassen Sie uns Madame Ludwig fragen.“
Madame Ludwig war jedoch nicht einverstanden, sie fühlte sich in der Menge offensichtlich wohl. Und allein, nur mit Herr Hamilton als Begleitung, könne sie unmöglich eine Loge aufsuchen, das wäre unschicklich. Auch Olivia wollte das Gedränge auf keinen Fall gegen einen ruhigen Platz dort oben
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