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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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Raimund, Sie haben nicht das Recht, ihre Cousine gefangen zu halten!“, rief Hamilton und rüttelte erneut an der Tür. „Machen Sie sofort auf!“
    Er hörte, wie ein Schlüssel in das Schloss gesteckt und umgedreht wurde. Isabelle öffnete die Tür. Sie hatte die Maske abgelegt und war kreidebleich. Stumm deutete sie auf eine leblose Gestalt auf dem Boden, die Hamilton beim Näherkommen als ihren Cousin erkannte. Er war tot. Offensichtlich hatte er sich mit einem Schuss ins Herz selbst getötet. Hamilton wandte sich ab, zog Isabelle am Arm aus dem Zimmer und sagte: „Das ist ja entsetzlich!“
    Sie standen kaum auf der Straße, als sie sagte: „Meine Handschuhe, meine Maske, mein Taschentuch – alles liegt in seinem Zimmer.“
    „Warten Sie hier, ich werde die Sachen holen. Es könnte höchst unangenehme Folgen haben, wenn sie jemand dort findet“, sagte Hamilton.
    Als er zum zweiten Mal in das Zimmer trat, fiel ihm auf, dass dort große Unordnung herrschte. Er fand Isabelles Handschuhe und das Taschentuch in der Nähe des Kamins, daneben lag ein Dolch. Auf dem Tisch stand eine Weinflasche mit zwei Gläsern, daneben lagen mehrere Briefe, obenauf einer, der an Isabelle adressiert war. Hastig steckte er ihn ein und wandte sich zum Gehen. Im Treppenhaus hörte er zu seinem Schreck Stimmen, die sich der Haustür näherten. Ihm war klar, dass er sich in einer äußerst gefährlichen Lage befand, denn angesichts der Spannungen zwischen ihm und Raimund würde man ihn womöglich als Mörder verdächtigen, wenn man ihn entdecken würde. Er setzte daher Isabelles Kapuze und ihre Maske auf und versteckte sich in einer kleinen Nische im Hausflur. Die Stimmen gehörten offensichtlich zwei Dienstboten. Eine davon war wohl ein französisches Dienstmädchen. Er hörte sie sagen: „Die alte Dame hat mir befohlen, ihren Sohn zu holen. Aber zu dieser Stunde möchte ich auf keinen Fall allein in sein Zimmer gehen.“

„Was will sie von ihm?“
    „Sie sagt, dass sie vorhin einen lauten Knall gehört hat, womöglich einen Schuss. Sie hat mich gefragt, ob ich es nicht auch gehört habe.“
    „Und – haben Sie es gehört?“
    „Wie sollte ich etwas hören, wenn ich gar nicht zuhause war? Am liebsten würde ich sagen, dass Graf Philipp noch nicht zurück ist. Ich fürchte nur, dass sie mir nicht glauben wird, weil er niemals so lange bei den Hoffmanns bleibt.“
    „Aber ich habe ihn um neun Uhr in einem schwarzen Kostüm zum Maskenball gehen sehen. Wir klopfen an seine Tür, und wenn er nicht antwortet, dann ist er sicher noch nicht zurück.“
    „Und wenn er doch antwortet?“
    „Dann sind wir immerhin zu zweit.“
    Hamilton huschte aus seinem Versteck und aus der Haustür, aber nicht unbemerkt, wie er gehofft wurde, denn die Frauen liefen ihm auf die Straße nach und riefen: „Graf Philipp! Graf Philipp! Die Frau Gräfin wünscht Sie zu sprechen!“  
    Hamilton gestikulierte heftig abwehrend in ihre Richtung und lief weiter, was sie zur Rückkehr ins Haus bewog. Isabelle stand noch genau an der Stelle, wo er sie verlassen hatte.
    „Ich hätte Sie nicht zurückgehen lassen sollen“, sagte sie und umklammerte seinen Arm. „Es war gedankenlos … egoistisch von mir. Man hätte Sie sehen können!“
    „Man hat mich gesehen – aber nicht erkannt!“, antwortete Hamilton. „Ich habe Ihre Maske aufgesetzt und das Personal hielt mich für Graf Raimund.“
    „Aber wenn man ihn jetzt findet ...“
    „Man wird jetzt nicht nach ihm suchen – die Dienstboten glauben ja, dass er gerade das Haus verlassen hat.“
    „Morgen ist sein Hochzeitstag!“, sagte Isabelle mit unterdrücktem Stöhnen. „Die arme Caroline!“
    „Vermutlich hat die Hochzeit einiges damit zu tun, dass er sterben wollte“, sagte Hamilton.
    „Vielleicht ist es auch meine Schuld“, sagte Isabelle so leise, dass er ihre Worte kaum verstehen konnte.
    „Nein – es war nicht Ihre Schuld, dass er sich in sie verliebt hat.“
    „Das ist es nicht, was ich meine“, flüsterte sie.
    „Was meinen Sie sonst? Erzählen Sie mir, was passiert ist – das heißt, natürlich nur, wenn Sie dazu in der Lage sind.“
    „Ja, ich … ich werde Ihnen alles sagen.“
    Sie holte tief Luft und fuhr dann mit leiser Stimme fort: „Nachdem wir im Ballsaal getrennt wurden, versuchte ich, so schnell wie möglich zur Seitentür zu kommen, wo wir uns treffen wollten. Dabei wurde ich von einer schwarzen Maske verfolgt; ich wusste noch nicht, dass darunter Philipp war. Ich

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