Die Versuchung
Madame Berger sehr viel weniger beherrschen als Sie vielleicht denken … Aber sie ist auf jeden Fall eine sehr unterhaltsame Person.“
21
Es war wolkenlos und kühl, als Hamilton früh am morgen die Pferde anspannen ließ. Sophie war bereits wach, bedachte ihn zur Begrüßung jedoch mit den Worten: „Sie sind wirklich sehr früh, Xaver ist noch nicht angekleidet, er steht nie vor halb sieben auf. Wir werden mit dem Frühstück aber nicht auf ihn warten. Welche Sammeltasse wollen Sie?“
„Ich kann mich nicht entscheiden“, sagte Hamilton. „Diese ist die größte und jene die schönste. Ich glaube, ich werde beide nehmen, zuerst die eine und dann die andere.“
Sophie lachte und plauderte mit ihm über dies und jenes, bis auch der Major zum Frühstück erschien. Dann fuhren sie bei Madame Berger vor. Sie sprang leichtfüßig in die Kutsche und rief: „Lassen Sie mich sehen, ob Ihre Pferde so schnell sind wie Sie immer behaupten!“
Hamilton war gerne bereit, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Zu dieser frühen Stunde waren auf den Straßen nur wenige Kutschen unterwegs und die wenigen, denen sie begegneten, überholten sie mit Leichtigkeit, was Olivia so begeisterte, dass ihr Jauchzen eine Zeitlang die erstickten Schreie der verängstigten Sophie völlig übertönte. Endlich sagte Stutzenbacher: „Herr Hamilton, darf ich Sie bitten, etwas langsamer zu fahren! Meine Frau ist zu sensibel ...“
Hamilton zog die Zügel an, aber den Pferden gefiel das gar nicht und ihr ungeduldiges Tänzeln versetzte Sophie erst recht in Angst und Schrecken, so dass sie auf halber Strecke darauf bestand, die Kutsche zu verlassen und mit dem Major zu Fuß weiter zu gehen.
„Sie sind wirklich ungezogen“, sagte Hamilton zu Olivia, die spöttisch lachte. „Ich werde mich heute so wenig wie möglich mit Ihnen beschäftigen, wer weiß, was Sie noch alles anstellen werden.“
„Sie werden sich natürlich mit mir befassen“, sagte sie energisch. „Sophie muss alles tun, was der Major will, Isabelle geht mir aus dem Weg und ich denke nicht daran, den ganzen Tag mit Madame Rosenberg zu verbringen, die mir Vorträge über meine Pflichten als Ehefrau hält. Wenn Sie nicht höflich zu mir sein wollen, dann kehren Sie um und bringen mich wieder nach Hause.“
„Höflich! Natürlich werde ich höflich zu Ihnen sein, aber ich möchte solche Szenen vermeiden wie die bei Ihrem letzten Besuch – ich musste erklären und entschuldigen ...“
„Und wer hat das Recht, eine Erklärung zu verlangen? Etwa Isabelle?“
„Nein, aber Madame Rosenberg, die zu denken schien ...“
„Kümmern Sie sich nicht um das, was sie denkt. Ich sehe nicht ein, dass wir keinen Spaß haben sollten. Allerdings weiß ich natürlich, dass es Isabelle keineswegs recht ist, dass wir so gute Freunde sind.“
„Ich glaube nicht, dass sie sich groß darum kümmert.“
„Sie kennen sie nicht so gut wie ich. Auch wenn sie sich nichts aus Ihnen macht, ist sie natürlich an Ihre ständigen Aufmerksamkeiten gewöhnt – mit wem sollte sie sonst sprechen? Möchten Sie sie eifersüchtig machen?“
„Eifersüchtig?“, wiederholte Hamilton. War es überhaupt möglich, die schöne Isabelle eifersüchtig zu machen? Der Gedanke reizte ihn. Sie bestand darauf, für ihn nichts zu empfinden, nichts als Freundschaft – und wenn das wirklich stimmte, dann waren alle Pläne für die Zukunft, alles woran er in stillen Stunden heimlich dachte, letztlich völlig vergeblich, denn er würde doch nur das Schicksal von Graf Zedwitz teilen. Wenn es ihm aber gelänge, sie mit Hilfe von Olivia eifersüchtig zu machen, dann wäre das eine Art Beweis …
„Eifersüchtig!“, wiederholte er erneut.
„Ja, eifersüchtig! Sie könnte natürlich denken, dass es allein an mir liegt, wenn Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken und sie nicht weiter beachten, aber Sie können ihr das Gegenteil beweisen …“
„Aber was würde Madame Rosenberg sagen?“
„Egal! Ich werde ihr keine Gelegenheit geben, mir eine Predigt zu halten. Sie ist auch zu gutmütig, um es dem Doktor zu erzählen, und Sie werden nicht so dumm sein, es Biedermann zu verraten.“
„Biedermann?“
„Ja, Theo! Er ist wahrscheinlich viel eifersüchtiger als der Doktor.“
„Hätte er das Recht dazu?“
„Natürlich nicht. Aber sehen Sie, ich habe mich an seine Aufmerksamkeiten gewöhnt und kann nicht auf sie verzichten. Er ist manchmal enorm langweilig – aber er liebt mich – und natürlich ist er
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